Montag, 28. Januar 2013

Das Speibsackerl der Kalenderwoche 4


Diese Woche geht das Speibsackerl an einen längst Verstorbenen. Dass Bundesrat Eduard von Steiger nicht vor miesen Methoden gegenüber ihm missliebigen Personen Halt machte, weiss man seit dem Dokumentarfilm "Er nannte sich Surava". Aber von Steiger hat noch mehr Dreck am Stecken. Viel mehr.

Anlässlich des Holocaust-Gedenktages wurden bisher unter Verschluss gehaltene Akten (ist ja erst 70 Jahre her…) zur Flüchtlingspolitik der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges publik. Und aus diesen Akten geht hervor, dass die Entscheidungsträger in der Schweiz schon seit Sommer 1942 im Detail über die systematische Verfolgung und Vernichtung von Juden im Herrschaftsbereich der Nazis Bescheid wussten.


Als Justizminister der Schweiz lag es an Bundesrat Eduard von Steiger, hierauf eine Antwort zu finden. Die Reaktion bestand dann aber in einer kaltherzig-menschenverachtenden Abwehrpolitik, einer Grenzschliessung, die unter dem Schlagwort "Das Boot ist voll" traurige Berühmtheit erlangen sollte. Im Wissen um die Gefahr für die Flüchtlinge wurden diese an der Grenze zur sicheren Schweiz zurückgewiesen - und damit zehntausenfach in den Tod geschickt.


Es kommt aber noch grotesker: Als Schülerinnen aus der sanktgallischen Grenzregion (genau handelte es sich um die Klasse 2c an der Sekundarschule Rorschach) das Flüchtlingselend, das sie aus eigener Anschauung kannten, in einem Brief an von Steiger schilderten, liess sich der Herr Bundesrat nicht etwa erweichen und von seinem menschenverachtenden Kurs abbringen. Vielmehr instruierte von Steiger umgehend den Schulratspräsidenten in Rorschach, die unbotmässigen Schülerinnen und deren Lehrer einem Verhör zu unterziehen. 


So wurde also in der ach-so-freien Schweiz reagiert, wenn sich einzelne nicht an die behördlich verordnete Kaltherzigkeit halten mochten. Auch Grüninger und eben Surava konnten ein Lied davon singen, wobei bei diesen beiden der Schulratspräsident durch Bundespolizisten und das Verhör durch Beugehaft zu ersetzen wäre. Von Steiger ist ein Musterbeispiel eines Schreibtischtäters, einer Krämerseele, durch deren Geiz und Kleinmut viel zu viele Menschen sterben mussten, die man hätte retten können. Schon der Bergier-Bericht dokumentierte die Deutschfreundlichkeit und den Antisemitismus von Eduard von Steiger zur Genüge. Seine Wahl in den Bundesrat wurde denn auch 1940 von Berlin mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. 

Willkommen in der freien Schweiz - NOT!

Die nun veröffentlichten Akten zeigen, wie perfide dieser Sack von Bundesrat seine Rolle als EJPD-Chef missbrauchte, um Kritiker seiner Politik (und deren drastischen Folgen) einzuschüchtern und mundtot zu machen. Dafür gebührt von Steiger auch posthum noch ein Speibsackerl.

Freitag, 25. Januar 2013

Ausfahrten im Winter

Nach einem faulen Start ins Jahr hab ich mich in der vergangenen Woche wieder in den Sattel geschwungen. Der Vorteil von Ausfahrten im Winter ist, dass die Bikes kaum dreckig werden. Dafür muss man hin und wieder auf die Zähne beissen.


Am Mittwoch machte der Nebel kurz nach Mittag der Sonne Platz, und es kündigte sich ein Prachts-Wintertag an. Also haute ich rasch ein Müesli rein, hüllte mich nach dem Zwiebelprinzip in verschiedene Schichten Sportbekleidung und schwang mich in den Sattel meines Trailbikes. Denn dieses hat alle Gänge an Bord und bietet eine Sitzposition, die einem bergauf auch auf verschneiten Wegen eine Chance lässt.


Wie ich den Eschenberg hoch stiefelte, sah ich beim Blick über die Schulter Winterthur in einem Nebelschleier liegen. Leider zückte ich erst später, auf halbem Weg in Richtung Sennhof, die Kamera. Und machte ein Panorama-Bild von der Stadt im Dunst. Nach etwa einer Stunde Fahrzeit waren meine Füsse jedoch unterkühlt: Spezielle Radschuhe mit Platten haben den Nachteil, dass in ihnen eine Kältebrücke eingebaut ist.


Und so kam es, dass die Freude nach der abgespulten Runde von elendiglichem Kuhnageln getrübt wurde, wie ich es schon eine Weile nicht mehr erlebt hatte. Dennoch hatte mich das Velofieber wieder gepackt, und so sass ich auch am folgenden Tag wieder im Sattel: Erst um halb Neun Uhr abends fuhr ich auf meinem kleinen, grünen Hardtail los, und diesmal war nicht der Eschenberg das Ziel.


Stattdessen strampelte ich via Töss der Autobahn entlang zum Golfplatz am Rossberg und von dort durch die Wälder zuerst in Richtung Chämleten, dann via Billikon und Ettenhusen zur Kyburg. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, ganz bis nach Kyburg zu fahren. Schliesslich hat mein Jackal nur neun Gänge zu bieten. Aber in der Kälte und Dunkelheit gab es nur eines: In Bewegung bleiben, "Gring ache u trampe". Über mir donnerten derweil die Jets im Ostanflug in Richtung Flughafen.


Kurz zögerte ich oben in Kyburg, ob ich wirklich den kleinen Wanderweg zu fahren versuchen sollte - vor meinem inneren Auge sah ich mich schon die Hälfte der Abfahrt das Bike tragen, rutschend, fluchend und nach Halt suchend. Aber weit gefehlt: Die Route war von drei Bikern "vorgespurt", der Untergrund zwar gefroren und entsprechend rumplig, aber durchaus griffig. Ehe ich mich versah, war die spassige Abfahrt im Licht zweier Scheinwerfer-Kegel (Hope Vision Pro2 am Lenker, Exposure Lights' Diablo auf dem Helm) schon wieder zu Ende.


Kurz danach flitzte ich über die Töss-Uferwege wieder in Richtung Reitplatz. Gegen zehn Uhr abends traf ich im Gasthof zum Widder ein, wo ich mir gleich ein Bier gönnte. Und sieh an: Keine kalten Zehen, kein Kuhnageln. Weil die FiveTen-Schuhe keine Pedalplatten aufweisen, bieten sie der Kälte keine Brücke, sondern nur Halt auf den Pedalen. Und zudem Halt bei gelegentlichen Schiebepassagen, die sich auf Schnee und Eis nie ganz vermeiden lassen.

Dienstag, 22. Januar 2013

Zum Schlürfen gut...


Suppen sind in Asien nicht bloss eine Vorspeise, sondern ein vollwertiges Nahrungsmittel, ja fast schon eine Kultur: Ob Taiwanese Beef Noodle Soup, japanische Ramen- oder Miso-Soup oder Thai-Tom Ka Gai. Und elektronische Gimmicks sind in Asien bekanntlich auch unverzichtbar.

Da überrascht diese Kombination der beiden Elemente Suppe und Gimmick nur noch bedingt: Die Tokyoter Firma MisoSoupDesign präsentiert schön geschwungene Suppenschüsseln mit integriertem iPhone- und iPod-Dock (der Spötter wundert sich: schon für diesen genialen, DAU-sicheren Stecker des iPhone 5?). So soll man auch beim Suppeschlürfen allzeit mit der Welt verbunden sein. Kein Wunder, nennt sich das Teil "Anti-Loneliness Ramen Bowl".


Einen Spritzschutz für das Gimmick kann ich auf dem Bild nicht erkennen, so dass diese neuartige Nano-Beschichtung ratsam erscheint, die Geräte mit Touchscreen vor Wasser zu schützen vermag. Aber genau so eine Suppenschüssel mit mindestens einem Liter Volumen suche ich nun schon seit einigen Tagen vergeblich in Winterthur: Geschäfte, die so etwas verkaufen, sind hier aus dem Zentrum an die Peripherie gezogen. Leider.

Freitag, 18. Januar 2013

Das Speibsackerl der Kalenderwoche 3


Was mit grossem Tamtam angekündigt wurde, entpuppte sich als "Tool little, too late". Lance Armstrong mochte im Interview mit Oprah Winfrey nicht einmal alles zugeben, was ihm die USADA nachgewiesen hat. Für diese verpasste Chance verdient er sich ein Speibsackerl.


Im Vorfeld des Interviews, in dem Lance Armstrong erstmals Stellung zu den Vorwürfen der USADA beziehen wollte, waren die Erwartungen gross: Würde der gefallene Radsport-Held über sein Umfeld auspacken, über jene, die seinen Jahrhundert-Betrug überhaupt erst ermöglicht hatten? Über die Ferraris, Celayas, del Morals, Bruyneels, Weisels, Verbruggens und McQuaids? Würde er sich bei den Leuten entschuldigen, die er öffentlich durch den Dreck gezogen hatte, den Walshs, Landis, Hamiltons, Kimmages, O'Reillys, Simeonis, Bassons, Andreus und wie sie noch alle heissen?


Nach eineinhalb Stunden Gelaber, das ich mir nicht in voller Länge angetan habe und das auch keine LIVE-Ausstrahlung war (das Interview wurde am Montag aufgezeichnet und erst in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ausgestrahlt, ein dicker Schönheitsfehler), zeigten sich all jene zufrieden, deren Karriere nach einem vollumfänglichen Geständnis Armstrongs wohl zu Ende wäre. Seine Ermöglicher und Komplizen eben. Anders diejenigen, welche die hässliche Fratze des Kontrollfreaks Armstrong zu sehen bekommen hatten. Das lässt für mich nur einen Schluss zu: Da hat einer ein höchst unvollständiges, nur seine eigene Person betreffendes Geständnis abgelegt. 

Traute Zweisamkeit mit Oprah - nicht im Bild: Armstrongs Juristen-Team,
das während der Aufzeichnung des Interviews sehr wohl im Raum war. 

Und dabei Einblicke in die Abgründe seiner Parallelwelt geboten, als er bekundete, er habe sich damals nicht schuldig gefühlt und das Doping nicht als Betrug gesehen. Daher ist für mich auch klar: Eine Reduktion der lebenslangen Sperre kommt auf Grund dieses Interviews nicht in Frage. Armstrong hat nach wie vor nichts mehr an Rennen zu suchen. Vielmehr sollte er in den anstehenden Verfahren gegen Johan Bruyneel und Doktor Celaya gezwungen werden, unter Eid auszusagen. Im Grunde ist er jetzt schon der Falschaussage unter Eid überführt und damit ein Kandidat für den Knast. 

Das Wahrheitsserum hat nicht gewirkt. Way to go, Lance!

Diesen Hebel müssen die Behörden nutzen, um Armstrong unter Druck zu setzen. Erst wenn die Daumenschrauben angezogen werden, wird das volle Ausmass seiner Manipulation klar werden. Und erst dann bietet sich die Chance zu einem echten Neuanfang. Lance Armstrong hat eine grosse Chance bekommen. Weil er nicht aus seiner Haut konnte, hat er sie leichtfertig verstreichen lassen. Höchste Zeit, dass dafür gesorgt wird, dass er für seine Verfehlungen finanziell büsst. Und wenn er wie Marion Jones für ein halbes Jahr hinter Gitter muss, hätte ich auch nichts dagegen. Vielleicht wird ihm dann endlich klar, wie wenig er noch zu verlieren hat und wie viel er einem Sport schuldet, den er in seinen Grundfesten pervertiert hat.

Dienstag, 15. Januar 2013

Li(v)estrong

Zur Meldung, wonach Lance Armstrong gegenüber Oprah Winfrey endlich die Fressluke in Sachen Doping aufbekommen hat, lass ich einfach mal dieses Video sprechen:



Meine Sympathie hat er mit diesem zu späten Geständnis noch längst nicht. Wenn er ab jetzt mit den zuständigen Behörden und der Untersuchungskommission der UCI zusammen arbeiten sollte und so die korrupte Führung der UCI, Michele Ferrari, Doctor del Moral und Johan Bruyneel zu Fall bringt, könnte sich das ändern. Aber nur dann.

Lalala, Lance der Laferi, lalaliar!
Too little, too late. Too much damage done. Prick!

Montag, 14. Januar 2013

United Grimaces of Greenhouse

Am vergangenen Samstag ging in Ostermundigen bei Bern das zweite "Bergamont Greenhouse Urban Mountain Bike Race" über die Bühne. Dabei boten die oft prominenten Fahrer dem Publikum ein Spektakel und einige Lacher - mal bewusst, mal in der Hitze des Gefechts weniger bewusst.


Für die sportlichen Aspekte des Rennens verweise ich gerne auf meinen Rennbericht auf der Website des Frontline Magazines. Aber einige der lustigsten Schnappschüssen will ich den Besuchern meines Blogs nicht vorenthalten. Und mich dafür beim Text zurück halten und die Bilder sprechen lassen. Alle Bilder wurden übrigens mit meiner Fuji Film FinePix X10 geknippst, mit dem externen Metz-Blitz.


Zwei Racer der alten Schule: Cedric Gracia (links) und
Claudio Caluori im Swiss Cycling-Grüseltenue.


Beim Briten Brendan Fairclough hält sich das Fratzenschneiden noch in Grenzen,
während Simon Waldburgers Kombination von Outfit, Pornobalken und seiner
konzentrationsbedingten Grimasse (unten) wirklich bemerkenswert ist.



Nick Beer reisst die Augen weit auf und fokussiert den Kurvenausgang,
der Niederländer Joost Wichman bläst dafür die Wangen auf.



Stichwort Atemtechnik: Roger Rinderknecht atmet in der Kurve gezielt aus,
Claudio Caluori nebelt dafür mit seinem Stumpen das Publikum ein.



Wenn die Beine übersäuern, kann die Mimik schon mal ein Eigenleben entwickeln.
Und wenn Schnupftabak im Spiel ist, zieht auch Cedric Gracia Grimassen, haha.


Sonntag, 13. Januar 2013

Das Speibsackerl der Kalenderwoche 2

Das Speibsackerl der zweiten Kalenderwoche dieses Jahres wäre noch nachzureichen. Dieses haben sich Pro Tell, Toni Bortoluzzi und andere Hohlköpfe und Knarren-Fetischisten verdient, welche nach der Tragödie im Wallis den NRA-Stumpfsinn nachgebetet haben.


Nach der Tragödie im Walliser Weiler Daillon standen auch die Waffengesetze in der Schweiz zur Diskussion. Und die Knarren-Fetischisten stellten sich sofort auf die Hinterpfoten. Das Recht auf Waffenbesitz wird von diesen Kreisen zum unverhandelbaren Kernpunkt eines liberalen Staates stilisiert, was gelinde gesagt ein Schmarren ist. Moderne Staaten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass das staatliche Gewaltmonopol ernst genommen wird und die Notwendigkeit der Bewaffnung des Einzelnen entfällt.



Was ProTell zur Tradition zu machen versucht, ist ein Relikt aus der Zeit des Wilden Westens, keine Errungenschaft aufgeklärt-demokratischer Staaten. Joe Lang führt dies in einer Carte Blanche-Kolumne durchaus treffend aus. Auch Toni Bortoluzzi hatte in dieser Diskussion einen unseligen Auftritt. Gegenüber der Tagesschau des Schweizer Fernsehens tönte der SVP-Nationalrat kurz vorm Ruhestand wie der unselige Wayne LaPierre von der NRA, als er betonte: "Die Waffe ist auswechselbar, diese Tragödien haben nichts mit der Waffe zu tun." Ja, sicher. Ich will mal sehen, wie jemand reihenweise Leuten den Schädel mit einem Stein einschlägt. Claudio Zanetti ging in seiner Paranoia noch ein Stück weiter und verknüpfte zu Beginn des Prozesses gegen den Bieler Pensionär Peter Hans Kneubühl das Waffen- mit dem Widerstandsrecht gegen staatliche Willkür. Und berief sich dabei auch noch auf John Locke - zum Wiehern.


Gestörtes Winteridyll: Das Walliser Dorf Daillon, von der Polizei zum Teil abgesperrt.

Dass sich die Knarren-Fetischisten nun über die Forderung nach einem nationalen Waffenregister (oder eher der Verknüpfung der kantonalen Waffenregister) echauffiert und darin den Anfang vom Ende der freiheitlichen Schweiz zu erkennen glaubt, ist nur noch lächerlich. Denn obwohl Migrationspolitik über die Fremdenpolizeien eine kantonale Angelegenheit ist, gibt es seit Jahrzehnten ein Zentrales Ausländerregister, wo auch ich seit Geburt mit einer ZAR-Nummer drin stehe. Und mal ehrlich: Sind Ausländer gefährlicher als Waffen? Das Speibsackerl haben sich die Schweizer Knarren-Fetischisten redlich verdient. Und den Beinamen "Alpen-Taliban" dazu.

Montag, 7. Januar 2013

Das Speibsackerl der Kalenderwoche 1

Wenn aus Obelix ein Obelitsch wird - oder wie Gérard Depardieu sich zu Putins Tanzbären macht, um seine Steuern zu optimieren: Das war für mich doch eher schwer verdauliche Kost.

Nicht erst seit seiner Verkörperung des Ur-Galliers Obelix gilt Gérard Depardieu als Vorzeige-Franzose. Bloss: Der Herr hat in den Jahrzehnten als Schauspieler gut verdient, ist auch zu einem Gastro-Unternehmer geworden. Und er will nun nichts von den höheren Steuern wissen, die der sozialistische Präsident François Hollande den reichsten Franzosen auferlegt, um die Staatskasse zu sanieren. Darum hat Depardieu noch im alten Jahr seinen Wohnsitz über die Grenze nach Belgien verlegt.


Das sei ihm unbenommen, auch wenn man nun einwenden könnte: Depardieu ist im französischen Kino gross und reich geworden. Und dieses Filmschaffen ist nicht eben für Kassenschlager bekannt, sondern für kulturell anspruchsvolle und vom Staat grosszügig mit Steuergeldern bezuschusste Kost. Die Grande Nation hat sich dieses Kino geleistet, um ein kulturelles Gegengewicht zu Hollywood zu schaffen. Man darf also davon ausgehen, dass ein Teil der Einkünfte Depardieus aus dem Kulturetat Frankreichs stammen.


So weit, so fragwürdig. Aber richtig peinlich bis unappetitlich wurde es erst, als Depardieu zu seinem Kumpel Vladimir Putin pilgerte, um einen russischen Pass überreicht zu bekommen. Wie nicht anders zu erwarten, nutzte Putin diesen Anlass zu Propaganda in eigener Sache - und Depardieu machte als tappsiger Tanzbär brav mit. Ungeklärte Todesfälle von Kritikern staatlicher Willkür und Korruption kamen genau so wenig zur Sprache wie das Vorgehen Russlands gegen die Frauen-Punkband Pussy Riot oder die schrittweise Einschränkung der Versammlungsfreiheit.


Nein, im Gegenteil: Depardieu war sich nicht zu schade, Putin als grossen Staatsmann und Russland als grosse Demokratie zu loben. Da musste ich schon fast zum Speibsackerl greifen, ganz ehrlich. Und so, wie ich den Familiennamen des russischen Präsidenten gerne um ein "a" erweitere (zu "putain"), biete ich dem Neurussen Gérard gerne ein zusätzliches "p" an. So ein Deppardieu, mon dieu!


PS: Auch die reichen Russen zahlen eher keine Steuern in Russland, sondern parken ihre Kohle zum Beispiel in Zypern. Diese Insel hat sich zu den Cayman Islands Osteuropas entwickelt und bietet sich an, um Steuern mit Hilfe von Offshore-Konstrukten zu optimieren. Ganz schön krank. Und heuchlerisch. Und damit allemal ein Speibsackerl wert.   

Samstag, 5. Januar 2013

Rockin' Roböts

Unter dem Alias Robocross macht Frank Barnes den Robotern Beine - oder genauer: Er lässt sie musizieren. Und zwar nicht irgendwelche Rondo-Veneziano-Zuckerguss-Klassik, sondern "The Ace of Spades" von Motörhead.

Seit den 90er Jahren arbeitet Frank Barnes an seiner Formel, Skulpturen zu Leben zu erwecken und so das Publikum zu überraschen. Dies führte schon vor 15 Jahren zu ersten, mit Druckluft betriebenen Robotern und damit zur Geburt von Robocross. Den mechanischen Gesellen brachte Barnes schon bald bei, Instrumente zu spielen.



Das Resultat nennt sich "Compressorhead" und rockt ganz schön - kein Wunder, wenn der Schlagzeuger vier Arme und einen Assistenten hat, während bis zu 78 Finger in die Saiten der Gitarre greifen. Mit den Meatbags gibt's auch schon einen Fanclubs für die mechanischen Metalheads. Da sag ich nur noch: Röck on, Roböts!

Donnerstag, 3. Januar 2013

Too young to die: Stand(er) up!


Die Mountainbike-Welt wurde am 3. Januar von einer traurigen Meldung durchgeschüttelt: Mit dem Südafrikaner Burry Stander ist einer der stärksten Fahrer bei einem Umfall getötet worden. Leider ist Stander kein Einzelfall.

Im vergangenen August zählte der Südafrikaner Burry Stander an den Olympischen Spielen von London zu den Medaillenkandidaten, und im Worldcup lieferte er sich begeisternde Duelle mit Nino Schurter. Ende des Jahres belegt Stander in der Weltrangliste der Disziplin Crosscountry den zweiten Platz. Erst im vergangenen Herbst hatte Stander geheiratet. Mit 25 Jahren hatte Stander die besten Jahre im Ausdauer-Sport noch vor sich, von der jungen Familie mal ganz zu schweigen.


Und nun diese Tragödie, eine weitere in einer ganzen Reihe ähnlicher Vorfälle: Schon im September 2012 kam der Spanier Victor Cabedo bei einer Kollision mit einem Fahrzeug unweit seines Wohnortes ums Leben. Am 16. Dezember 2012 wurde der spanische Mountainbiker Inaki Lejarreta (29) auf einer Trainingsfahrt von einem Auto erfasst und getötet. Mehr Glück hatten die britischen Rad-Stars Bradley Wiggins und Mark Cavendish, die ihre unangenehmen Begegnungen mit Blechkisten mit Schrammen, Prellungen und dergleichen überstanden. 


Zu Lejarretas Gedenken strömten kurz vor Weihnachten 8000 Radler in Madrid zusammen. Mit einer klaren Botschaft: Wir wollen nicht mehr akzeptieren, dass Trainingsfahrten potentiell lebensgefährlich sind. Wir fordern Respekt, auch wenn wir keine 2 Tonnen Blech als Argumentsverstärker dabei haben. Dazu gehört, dass beim Überholen genügend seitlicher Abstand gewährt wird - auch wenn dies bedeutet, dass man nicht sofort überholen kann.  Dazu gehört, dass einem der Vortritt nicht genommen wird, weil man ja nur ein "Velofahrer" ist.


Auch wenn die Umstände von Standers Tod im Moment noch unklar sind: Er ist wohl mit einem Kleinbus zusammen gestossen, der als Sammeltaxi unterwegs war. Die Fahrer solcher Sammeltaxis haben in Südafrika einen ausgesprochen schlechten Ruf, und der Fahrer im Falle Standers soll nach der Kollision abgehauen sein, womit die Schuldfrage schon weitgehend geklärt sein dürfte (inzwischen meldet die Polizei, dass sie wegen vorsätzlicher Tötung ermittelt). Aber diese Klärung macht Burry nicht wieder lebendig, und sie verhindert keine derartigen Tragödien in Zukunft.


In meinen Augen ist nun die Bike-Industrie gefragt: Sie soll eine "Burry Stander Foundation for Safe Cycling" ins Leben rufen. Diese Stiftung kann zusammen mit nationalen Radsport-Verbänden und der UCI Druck machen, um die Infrastruktur für Radsportler zu verbessern und ihnen mehr Platz im Verkehr einzuräumen. Vor allem aber gilt es, die Einstellung vieler Autofahrer zu ändern, die Radfahrern gleichgültig bis offen feindselig gegenüber stehen und ohne zu zögern mit deren Leben spielen, um selber zehn Sekunden zu gewinnen. 

Jung, talentiert - und nun das jüngste Opfer des Irrsinns auf unseren Strassen.

Ein Leben - zehn Sekunden. Wenn der Tod von Burry Stander nicht eine weitere, sinnlose Tragödie sein soll, sind Taten gefordert. Von Seiten der Branche zuerst, aber auch gerne von Seiten der Politik. Denn für das stundenlange, oft monotone Grundlagentraining sind öffentliche Strassen leider ohne Alternative. Und weil Radsportler so viele Stunden auf diesen Strassen verbringen, steigen die Chancen, in einen schweren Unfall verwickelt zu werden. Bloss: Das muss nicht sein. Nicht, wenn Velofahrer endlich mit Respekt behandelt werden. Von den Planern und von den Automobilisten. 

Stand up for your rights. Stander up!

Mittwoch, 2. Januar 2013

Verkehrspolitik: How NOT to do it...

Während Jahrzehnten dominierte Bequemlichkeit die Verkehrspolitik: Alles wurde auf den motorisierten Individualverkehr ausgelegt, aber dieser steht sich selbst seit Jahren im Weg. Wie sich auch in Brüssel eindrücklich zeigt.

Belgiens Hauptstadt Brüssel mag zwar zweisprachig sein, aber bei der Verkehrspolitik dominiert die französische Komponente deutlich: Nur 4% des Verkehrsaufkommens entfällt auf das Fahrrad. Dafür ist Brüssel die europäische Stadt mit den meisten Staustunden. Die sehenswerte Kurz-Reportage "Brussels Express" von Sander Vandenbroucke geht den Ursachen dieser Misere auf den Grund. Und fördert erstaunliches zu Tage.

Brussels Express from Sander Vandenbroucke on Vimeo.

So gibt es in Brüssel erst seit wenigen Jahren EIN (richtig, ein einziges...) Velokurier-Unternehmen. Dessen Dienste werden zwar von Unternehmen der Privatwirtschaft gerne in Anspruch genommen, nicht aber von der in Brüssel als doppelter Hauptstadt (einmal von Belgien, einmal der EU) sehr stark vertretenen Verwaltung. Der Film ist sehenswert, denn neben vielen schönen Bildern bietet er auch Einblicke in eine gründlich verkorkste, weil auf dem uneffizientesten Verkehrsträger und auf der ideologischen Vorstellung der freien Fahrt für freie Bürger beruhende Planung.