Donnerstag, 27. September 2012

Road Rage – der wilde Osten


Gestern wäre ich um ein Haar in eine Rauferei mit einem Autofahrer verwickelt worden – im wilden Osten, genauer in der Thurgauer Hauptstadt Frauenfeld. Fehlverhalten und Selbstgerechtigkeit sind eine üble Mischung, besonders in Kombination mit 1.5 Tonnen Blech.

Ich hatte gerade in der Walzmühle bei meinem Bruder Sjoerd das neue Notebook (1.5 Jahre alt, aber so gut wie neu) abgeholt und war kurz nach sechs Uhr abends auf meinem kleinen, grünen Elend aufm Weg in Richtung Bahnhof. Vor dem Queren der Zürcherstrasse fielen mir zwei Autos auf meiner Fahrspur auf: Eines stand mittig in der Fahrbahn, das andere leicht nach rechts versetzt, aber längst nicht weit genug, um die Lücke zu schliessen. Den Blinker hatte keins von beiden gesetzt.

Also rollte ich rechts an den beiden Autos vorbei und verpasste eine erste Lücke im Verkehr nur knapp – im Unterschied zum ersten Auto. Fünf Sekunden später bot sich die nächste Lücke, also trat ich in die Pedale und überquerte die Strasse. Beim Kontrollblick über die Schulter sah ich, wie das zweite Auto ohne zu blinken nach rechts abbog – ein Verhalten, das für Velofahrer schlicht lebensgefährlich ist. Worauf ich den Autofahrer mit einer unmissverständlichen, in ganz Europa verständlichen Geste auf sein Fehlverhalten aufmerksam machte, begleitet von einem „Blinke gefälligst, wenn Du rechts abbiegst!“

So weit kam es zum Glück nicht: Road Rage-Szene aus Toronto, Kanada.
Foto: Adam Krawesky, SpacingWire

Der Blechkutscher reagierte sofort: Mit quietschenden Reifen änderte er seine Fahrtrichtung und setzte mir nach. Ich legte mein Bike gleich aufs Trottoir ab und stellte mich auf die Fahrbahn, in Erwartung des Hitzkopfes. Tatsächlich kam der Depp in seinem Popel-Opel in der 30er Zone mit 50 Sachen auf mich zugeschossen, bremste hart, warf die Fahrertüre auf, sprang heraus und begann gleich zu Zetern: „Muss ich die Polizei holen? Rechtsüberholen ist nicht erlaubt, Du Arschloch!“ Sein Kopf war gerötet, sein Atem nicht eben frisch und die Distanz zu meinem Gesicht nahm rasant auf etwa fünf Zentimeter ab.

Ich wies ihn – alle zwei Sekunden von einem „Arschloch!“ aus der Schnute des Blechkutschers unterbrochen – darauf hin, dass er gerne die Polizei holen dürfe, schliesslich sei er ohne zu blinken nach rechts abgebogen, was eine lebensgefährliche Saumode sei.  Zudem habe er mich mit seiner Karre einzuschüchtern versucht, was den Tatbestand der Nötigung erfülle, und mich wiederholt mit „Arschloch“ tituliert und somit beleidigt. Und so ganz nebenbei sei er nicht anonym, sein Auto habe eine Nummer, weshalb er sich sehr genau überlegen solle, was er als nächstes mache oder sage. Die einzige Reaktion: „Fahr ab, Du Arschloch!“ Lernfähig ist anders.

Die Freundin des Blechkutschers mochte vom Beifahrersitz dem Ganzen von Beginn weg nicht zuschauen und senkte verschämt ihren Blick, was ich nachvollziehen konnte. Sie dürfte wissen, mit was für einem verkümmerten Charakter sie zusammen ist. Selbst riet ich dem Hitzkopf, künftig all seine Richtungsänderungen per Blinker anzukündigen, er deckte mich nochmals mit einem „Arschloch“-Stakkato ein und wir gingen getrennte Wege. Beide dürften sich in ihrer Einstellung bestätigt sehen: Autofahrer sind rücksichtslose Deppen, die sich einen Dreck um schwächere Verkehrsteilnehmer kümmern. Und Velofahrer sind dreiste Rowdies, welche die Regeln systematisch missachten.

Nachtrag: Ich musste am selben Mittwoch schon um die Mittagszeit in Winterthur eine Notbremsung einlegen, weil ein Lieferwagen vor mir ohne zu blinken nach rechts abbog. Ohne diesen ersten Schreckmoment hätte ich womöglich gelassener auf den Deppen in seinem Popel-Opel reagiert. Aber zweimal die gleiche Scheisse ist einmal zu viel – mindestens.

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