Montag, 24. Oktober 2011

Ein langes Wochenende

12 Testfahrerinnen und Testfahrer, 14 Mountain Bikes und eine knüppelharte Strecke: Das waren die Zutaten für ein verlängertes Wochenende im Tessin. Anstrengend, aber schön. Und mit einigen Anekdoten gespickt.

Los ging es für mich persönlich um 4:40 Uhr am Freitag Morgen - kein Zuckerschlecken, denn ich war erst um viertel nach Eins ins Bett gegangen. Macht also dreieinhalb Stunden Schlaf. Um viertel nach Fünf in der Früh machte ich mich zu Fuss auf zum Bahnhof, mit Rucksack und Sporttasche. Weiter gings um halb Sechs Uhr nach Zürich und von da an um 6:09 Uhr weiter in Richtung Tessin. Von Arth-Goldau bis Bellinzona konnte ich nochmals eine Stunde schlafen, und kurz vor neun Uhr traf ich in Rivera ein, zwischen Monte Tamaro und Monte Ceneri.

Der Event-Anhänger von Stöckli war schon von weitem zu sehen. Ein Mitarbeiter von Stöckli hatte den Trailer mit einem VW-Bus ins Tessin befördert und fuhr bis zur Mittagspause noch mit dem Testteam einige Runden mit. Um neun Uhr morgens war es noch empfindlich kalt, auf den Wiesen lag etwas Reif. Mit der Sonne kam dann aber die Wärme, was die Fahrten auf der Testrunde einiges angenehmer machte.

Weniger angenehm war, dass auf dem Waffenplatz Ceneri grad geschossen wurde - am höchsten Punkt der Teststrecke über unsere Köpfe hinweg. A little piece of Libya in Ticino, haha. Zudem mussten wir auf der ersten Runde mehrmals anhalten und mit vereinten Kräften anpacken: Tote Bäume waren über die Strecke gestürzt und hatten verschiedene Stellen unpassierbar gemacht. Bei der nun fast kollabierten Brücke auf halbem Wege war auch so nichts mehr zu wollen: Da sollten die Gemeindebehörden mal bitte jemanden zur Reparatur hinschicken.

Aber zurück zum Testbetrieb: Von schweren Defekten, die Räder fahruntüchtig machten oder zu einem Gang in die Fachwerkstatt zwangen, blieben wir verschont. Stürze gab es einige, aber nur einer hatte ernsthaftere Folgen; Patricia musste zur Kontrolle ihrer rechten Hand nach Bellinzona ins Krankenhaus - und bekam prompt einen Bruch diagnostiziert. Auf der letzten Abfahrt am Sonntag legte sich auch noch Jürg hin, was das Ende seines Velohelms bedeutete. Er selbst kam mit einigen Prellungen davon, Schwein gehabt.

Selbst kam ich an den drei Tagen ohne Sturz durch und legte insgesamt 15 Runden auf der WM-Strecke von 2003 zurück. Ob das für meine vom Sturz von vor drei Wochen noch immer schmerzende, linke Schulter eine gute Idee war, kann ich im Moment noch nicht beurteilen. Auf lange Abfahrten ab der Mittel- oder Bergstation am Monte Tamaro hab ich freiwillig verzichtet, das hätte die Schulter kaum mitgemacht. Dafür konnte ich am späten Nachmittag schon auf dem Parkplatz einige Angaben zu den Testrädern erheben, wie die exakte Ausstattung oder das Gewicht der Laufräder.

So hatte ich diesmal am Samstag Abend nach dem Abendessen nur noch wenig zu tun - und konnte das Abendessen im Grotto umso mehr geniessen. Während ein Teil unserer Gruppe sich für ein Fondue Bourguignon mit Hirschfleisch entschied, liessen wir Windschwein-Filets auffahren. Herrlich, nach sieben Runden auf der Teststrecke allein am Samstag war das ein verdienter Lohn. Am selben Tag erlitt auch das Zugfahrzeug des Anhängers einen finalen Motoren-Infarkt. Zum Glück nicht auf der Autobahn, sondern morgens auf dem Parkplatz der Tamaro-Bahn.

So blieb genug Zeit, um als Ersatz einen Skoda-Kombi von Hertz als Ersatzfahrzeug bringen und den Ssangyong Kyron zum Verschrotten abholen zu lassen. Dieser Skoda war dann am Sonntag Nachmittag gefordert. Auf dem Weg von Bellinzona nach Biasca war der Verbrauch mit etwa 13 Litern auf 100 Kilometern noch harmlos, an den Rampen hinauf nach Airolo änderte sich dies: Bis zu 25 Litern genehmigte sich der Skoda (Tschechen sind als trinkfest bekannt), weil er die 1.4 Tonnen am Haken nur im vierten Gang die Rampen hoch bekam.

Im Stau vorm Tunnel konnte der Skoda abkühlen, danach wurde er auf schlechtem Strassenbelag vom grossen Anhänger gut durchgeschüttelt und geschaukelt. In Buochs luden wir ein erstes Testrad aus, kuppelten den Anhänger wenig später in Wolhusen ab und machten uns dann auf in Richtung Hirzel. Unterwegs erfuhren wir übers Radio die letzten Resultate der eidgenössischen Wahlen. Und die sorgten für gute Laune im Auto - vor allem die unverhofften Verluste der SVP, weniger diejenigen der Grünen.

In Sihlbrugg stieg ich aus, um die letzte Strecke via Zürich nach Winterthur wieder mit dem Zug zurück zu legen. Seither weiss ich auch, dass Sihlbrugg einer der garstigsten Bahnhöfe der Schweiz sein dürfte: Ein stillgelegtes Bahnhofsgebäude, ein Güterschuppen, dazu ein Selecta-Automat, eine karge Beton-Unterführung und ein Perron mit drei Bänkchen, aber ohne Warteraum. Das wärs - nicht eben angenehm, wenn ein eisiger Wind weht, die Temperaturen gegen Null grad sinken und man noch eine halbe Stunde auf den Zug warten muss.

Um neun Uhr abends traf ich endlich in Winterthur ein und machte mich auf zum Widder, um vielleicht noch einen Happen zu essen (es blieb bei einer Gemüsecreme-Suppe, oder genau genommen eineinhalb Portionen) und das Wochenende bei einem Bier oder zwei ausklingen zu lassen. Den Abschluss des langen Wochenendes bildete ein Fussmarsch via Bahnhof nach Hause, wieder mit Rucksack und Sporttasche. Was hätte ich da für ein Velo gegeben...

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