Dienstag, 23. März 2010

Schweizer Geschichte – welche darfs denn sein?

Zur Zeit berät der Nationalrat über das Einbürgerungsprozedere – und die bürgerlichen Parteien liefern sich mal wieder einen Verschärfungs-Wettkampf. Dabei schwingt die SVP (wie nicht anders zu erwarten) mit einem besonders blöden Vorschlag obenaus.

Die Schweizermacher sind mal wieder ausser Rand und Band: Denn das Schweizer Bürgerrecht ist etwas so exquisites, das muss man sich gefälligst verdienen. Und das nicht nur durch lächerlich anmutende Wohnsitzfristen (eine Senkung von 12 auf 8 Jahren macht viele Herrschaften schon sehr nervös, und das auch in den Reihen von CVP und FDP) und Tests, bei denen neben dem akzentfreien Dialekt auch Kenntnisse über das Wesen und Funktionieren der Schweiz als demokratisch-föderalem Musterstaat ein Kriterium sind.

Neu will die SVP Einbürgerungswillige auch noch mit Fragen zur Schweizer Geschichte löchern – und da wird’s unfreiwillig komisch. Denn es zeichnet die Schweiz eben gerade aus, dass es nicht «EINE Geschichte der Schweiz» gibt: Vielmehr existieren nebeneinander eine hochselektive, vieles ausblendende und partiotischen Sinn stiftende Geschichtsfolklore sowie eine weit widersprüchlichere, eigentlich nur an Universitäten vermittelte Geschichte des Raums Schweiz.

Prägten das Bild der misstrauisch im Privatleben Einbürgerungswilliger herum schnüffelnder Beamter:
Walo Lüönd und Emil Steinberger, unterwegs als Schweizermacher.

Die von der SVP gehätschelte und bis heute in der Primarschule vermittelte Geschichtsfolklore dreht sich um die Fixpole 1291 (Rütlischwur), 1315 (Schlacht am Morgarten), 1386 (Schlacht bei Sempach) und 1515 (Schlacht bei Marignano) – und bricht dann mit Niklaus von Flüe’s «Stecket den hag nicht zu wiit» als aus der Niederlage geborene Selbstbescheidung abrupt ab. Angereichert wird diese Geschichte als Abfolge von Schlachten gerne noch mit den Burgunderkriegen und weiteren Schlachten, etwa derjenigen bei Näfels.

So mags die SVP: Schweizergeschichte als Mix aus Wunschdenken, Helden sowie
Blut- und Bodenmentalität, gerne mit einem Schuss Frömmigkeit.

Innerschweizerische Konfessionskriege, das über Jahrhunderte andauernde Söldnerwesen, Verwicklungen in kontinentale Konflikte (erinnert sei an Jürg Jenatsch zur Zeit des 30jährigen Krieges), die Emigration von Schweizern nach Übersee, die Unterdrückung und ökonomische Ausbeutunng der Untertanen-Gebiete (zB des Thurgaus, des Aargaus, der Waadt) durch die alten Orte der Eidgenossenschaft, die Helvetik, der Sonderbundskrieg und die Geschichte des noch jungen Bundesstaates hingegen sind lauter nicht ins hehre Bild passende und daher ausgeblendete Aspekte, die dafür im universitären Diskurs zur Geschichte des Raums eine umso zentralere Rolle spielen.

Hat mit dem Werden der Demokratie in der Schweiz weit mehr zu tun
als alle alten Eidgenossen zusammen: Der oft als Verräter verfemte Peter Ochs.

Daher frage ich die SVP, welche Geschichte denn bei Einbürgerungswilligen präsent sein und im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens abgefragt werden soll: Eine hochgradig politisierte, nationalfolkloristische, aber wissenschaftlich längst überholte und unhaltbare Darstellung, in der vom Rütlischwur bis zur selbstgewählten Neutralität nach der Niederlage von Marignano alles seinen geordneten, widerspruchsfreien und linearen Gang geht? Wo Schlagworte wie «700 Jahre Demokratie» die Runde machen? Und die vor 500 Jahren abrupt abbricht, weil da die Schweiz als aussenpolitischer Eunuch bereits Realität ist?

Kein Winkelried weit und breit, dafür Schweizer, die aufeinander schiessen:
Szene aus der Schlacht bei Geltwil (1847).

Oder eine mit den Nachbarstaaten immer wieder eng verflochtene Geschichte einer Nation voller innerer Widersprüche, die den Willen zum Zusammenleben erst erlernen musste? Einer Nation, welche die Demokratie von den Franzosen und die Neutralität vom Metternich’schen Kongress-Europa verordnet bekam und mitnichten aus freien Stücken wählte? Und die erst in Folge eines inneren Konflikts zu einem geschlossenen Staatsgebiet wurde – in jenem Jahr 1848, das für ganz Europa eine grosse Rolle spielt?

Der wahre Einiger der Schweiz: Guillaume Henri Dunant, vom Freisinn zur Liquidierung
des Sonderbundes bestellter General, grossgeworden in Napoleon's Diensten.

Gerne lade ich die selbsternannten Hüter der schweizergeschichtlichen Nabelschau dazu ein, im Detail darzulegen, welche Schweizergeschichte sie zu prüfen gedenken. Wenn es dabei um längst widerlegte Idealvorstellungen geht, um einen Forschungsstand wie vor 50 Jahren, dann schlage ich vor, dass die betreffenden SVP-Exponenten sich erst einmal selbst in Sachen Geschichte der Schweiz und aktuellem Forschungsstand auf den neusten Stand bringen, ehe sie vertiefte Kenntnisse in dieser Hinsicht von Einbürgerungswilligen verlangen.


PS: Irgendwie hat die SVP ja schon recht, denn wenn die Schweiz im 19. Jahrhundert bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft etwas restriktiver gewesen wäre, müssten sich jetzt die Deutschen mit Leuten wie Blocher oder Schlüer herum schlagen.

Montag, 22. März 2010

Vom Pappschlamm-Trainingseffekt

Temperaturen um die 15 Grad lockten mich am Sonntag Nachmittag an die frische Luft. Dabei musste ich allerdings merken, dass der Winter seine Spuren im Wald hinterlassen hat.

Am ersten, noch auf Stadtgebiet liegenden Hügel präsentierten sich die Trails noch durchaus ansprechend: Griffig, schneefrei und nur stellenweise matschig - dort dafür richtig, so dass es gleich mal eine Fangopackung fürs Gesicht umsonst gab.

So kam ich schnell über den Eschenberg drüber und konnte den steilen Anstieg hinauf zur Kyburg in Angriff nehmen. Dabei kam mir bereits ein erster Weg unter die Stollenreifen, der frisch renoviert, aber noch kaum verdichtet war. Dafür von rücksichtsvollen Reitern umgepflügt - bravo, echt den richtigen Pfad erwischt mit 750 Kilo Pferd unterm Hintern...

Oben an der Kyburg wars wenig gemütlich - zu windig, um länger als nötig zu verweilen. Und zudem bedeckt, während die Stadt Winterthur von der Sonne beschienen war. Also stellte ich den Sattel auf Halbmast und machte mich auf zu einem kleinen Pfad, der zuerst einen Steilhang traversiert und dann durch natürliche Halfpipes zu Tal führt. Schon hier war das Geläuf eher rutschig, aber es sollte noch weit ärger kommen.

Nach einem kurzen Gegenanstieg bog ich ein zweites Mal in den Wald ab, um mir einen kleinen Pfad zu gönnen. Gleich nach dem Abzweiger holperte ich über jede Menge Geäst und Schnittholz, dachte mir aber noch nicht allzuviel dabei. Erst als ich im Steilhang immer langsamer wurde, obwohl ich die Bremse längst wieder geöffnet hatte, schaute ich mir mein Bike mal etwas genauer an.

Und prustete spontan los, denn weil die Förster im Winter mit wirklich schwerem Gerät im Hang gewesen waren, klebte nun eine Unmenge lehmiger Pampe, vermischt mit Tannennadeln, Laub und kleinen Ästen an meinem Bike. Und erhöhte dessen Gewicht mal glatt um den geschätzten Faktor drei - 40 Kilo hatte die Fuhre schon drauf.

Also schenkte ich mir die folgende Passage auf einem notorisch schlammigen Fahrweg und räuberte statt dessen quer durch den Wald zum nächsten Waldweg - je steiler, desto besser, damit die zu Schlammwalzen mutierten Laufräder überhaupt noch drehten. Auf den folgenden Kilometern kehrten die Reifen Klumpen für Klumpen (die mir um die Ohren flogen) wieder zum gewohnten Einbaumass zurück.

Freilich bei deutlich erhöhtem Kraftaufwand, um die Räder trotz des angepappten Schlamms am Drehen zu halten. Entsprechend wurde ich von Kopf bis Fuss eingesaut - und im Tankstellenshop, wo ich mir noch eine Packung Parmesan fürs Abendessen holte, von den anderen Kunden wie ein Ausserirdischer angestarrt. Zu Hause war dann Fleiss gefragt: Mit Bürste und einem Eimer Wasser schrubbte ich eine Viertelstunde lang am Bike herum, bis es wieder als solches erkennbar war.

Und wunderte mich über die Konsistenz des Schlamms, den ich mir eingehandelt hatte: Das war eher Lehm für Töpferarbeiten als irgend etwas anderes - und entsprechend mühsam von Rahmen und Reifen zu bekommen. Auch die Kleider waren ein Fall für die Waschmaschine. Mit anderen Worten: Mal wieder richtig schön im Schlamm gespielt.

Mittwoch, 17. März 2010

DT Ridecamp: Actionbilder

Bisher gabs vom DT Ridecamp in Katalonien nur Bilder mit stehenden Bikes und Leuten. Dank DT's Marketing- und Produkte-Zampano Silvan Bürge kann ich nun noch einige Action-Bilder bieten - vom letzten Tag des Camps, als das Wetter schon wieder weit angenehmer war.

Weil unser Shuttlebus zum Flughafen Barcelona erst um 14 Uhr losfuhr, blieb am Donnerstag Morgen noch Zeit, um nochmals die Trails an der Costa Brava unsicher zu machen. Um ein Haar hätte ich die kleine Gruppe um Silvan Bürge und Caroline Forrer verpasst, die sich nochmals den fahrtechnisch anspruchsvollsten, aber auch landschaftlich schönsten Trail der Gegend geben - und dabei einige Bilder schiessen wollte.

Weil ich wusste, dass Teile des Weges exponiert in der felsigen Steilküste verlaufen, liess ich die Clickpedale und die dazu passenden Schuhe im Hotel. Wenn Absturzgefahr droht, sind mir Plattform-Pedale und dazu passende Treter weit lieber. Also kamen auch die MP90-Treter von Shimano zu ihrem ersten Ernsteinsatz. Und so viel vorweg: In Kombination mit dem DX-Plattformpedal desselben Herstellers boten die Dinger vorzüglichen Halt.

Gleich der Einstieg in den Küstentrail zwischen Tossa de Mar und Giverola bot einen ersten, kleinen Überwinder: Um am Zaun vorbei zu kommen, musste man das Vorderrad hart am Rand des Pfades durchzirkeln - zumal mein Testradl einen eher breiten Lenker verbaut hatte. Danach erwies sich der Trail als zwar anspruchsvoll, aber durchaus spassig - Schnee- und Eisreste waren keine mehr auszumachen .

Also beste Traktion auf Fels und Waldboden, durchsetzt mit gelegentlichen Wurzeln und der einen oder anderen Treppe. Der Trail, die atemberaubende Landschaft, steigende Temperaturen und die durch die Wolken drückende Sonne sorgten dafür, dass die Laune aller Beteiligten bestens war (das breite Grinsen aufm Bild oben ist nicht gestellt). Ende gut, alles gut, sozusagen. Auch wenn ich mich als krönenden Abschluss hingelegt habe - als ich das Bike eine Treppe hochtrug. Muss man auch erst einmal schaffen.

Zurück im Hotel, gönnte ich mir eine heisse Dusche im Hallenbad. Und weil ich wusste, dass eine grössere Gruppe Journalisten sich kurz nach Mittag aufs Rennrad schwingen würde, liess ich mir einen kleinen Gag nicht entgehen: Umsonst hatte ich meine Badehose schliesslich nicht eingepackt, also leistete ich den dick vermummten Rennradlern Gesellschaft. Und nein: So kalt wars nicht einmal. Aber umso lustiger, die Gesichter all der Kollegen zu sehen, die sich auf eine kalte Runde auf dem Rennrad gefasst machten.

Montag, 15. März 2010

David Signer und die Arroganz der Guten

Während das Velo in Winterthur gezielt gefördert wird, bleiben die Fronten in der stadtzürcher Verkehrspolitik starr und die Gräben tief. Pünktlich zum Frühlingsbeginn empört sich in der NZZ am Sonntag nun David Signer über böse Velofahrer.

Man nehme einige Extrembeispiele (in Signers Fall das Kamikaze-Mami mit Kinderanhänger und Kind, die derselbe Autor schon am 25. Oktober 2009 einmal in einer Story brachte – ist das nun Extremfall-Recycling?), füge dazu Vorurteile und höchst subjektive Erfahrungen sowie eine zugegebenermassen nachdenklich stimmende Statistik: So etwa könnte das Kochrezept für die Signer’sche Breitseite gegen die Velofahrer in der Stadt Zürich lauten. Dass Signer damit nur Gräben weiter vertieft und einer frustrierten Autoklientel nach dem Mund schreibt, sei ihm unbenommen.

Da online noch nicht verfügbar, muss ein Scan des Artikels von David Signer reichen.

In einigen Punkten ist aber eine Korrektur der Signer’schen Schilderung angebracht. So meint er, kein anderes Verkehrsmittel verfüge über eine derart starke Lobby wie das Velo, und führt als Beweis für diese eher gewagte Behauptung die (übrigens höchst erfreuliche) Wahl Daniel Leupi’s in den Stadtrat an. Wenn also nach Jahrzehnten weitgehender verkehrspolitischer Dominanz meist bürgerlicher, mit dem TCS oder dem ACS verbandelter Politiker nun erstmals ein Velo-Lobbyist in die Exekutive der grössten Schweizer Stadt gewählt wird, soll dies schon als Beleg für ein erfolgreiches Lobbying-Powerplay der Velofahrer taugen? Eine bemerkenswerte Sichtweise.

Auch das ist (Velofahrer-)Realität: Der Velostreifen als Kurzzeitparkplatz und Flanierzone.

Läppisch ist auch Signers Empörung über die Mittel, die für den Bau von Velowegen bereit stehen: Allein im Kanton Zürich sollen im kommenden Jahr neben den ohnehin budgetierten 15 Millionen Franken weitere 20 Millionen dafür verwendet werden. Bloss: Diese 20 Millionen Franken werden auf die kommenden 10 Jahre verteilt, was Signer glatt unterschlägt. Zudem setze man die Summe mal bitte in Relation zum Budget für den Bau und Unterhalt von Strassen auf Kantonsgebiet. Die entsprechende Zahl ist wegen der geteilten Zuständigkeit von Bund, Kantonen und Gemeinden nicht so einfach zu eruieren, aber man darf getrost von einem Vielfachen der oben genannten Beträge ausgehen. Bloss dass sich darüber kein Signer dieser Welt aufregt.

Besonders heikel für Velofahrer: Autotüren, die im dichten Verkehr aufgeschmissen werden.

Richtig ärgerlich ist, dass Signer sich in fragwürdiger Weise Schubladendenkens bedient und sämtliche Velofahrer als arrogante, selbstgerechte Weltenretter darstellt, die sich um die Regeln im Strassenverkehr foutieren und dabei bewusst Fussgänger gefährden. Mit Verlaub: Ich fahre nicht auf Trottoirs und nutze mit dem Velo auch keine Fussgängerstreifen, um Strassen zu überqueren. Auch auf eine minimale Beleuchtung achte ich aus purem Selbsterhaltungstrieb.

Bei Leuten, die auf Trottoir oder Fussgängerstreifen radeln, handelt es sich nach meiner Beobachtung meist um ungeübte Velofahrer, verunsichert vom dichten Verkehr. Den Druck der Blechkarrossen geben solche Fahrer leider an die Fussgänger weiter, wenn sie auf Trottoirs und Fussgängerstreifen ausweichen. Das gemahnt an einen für totalitäre Staaten essentiellen Untertanen-Mechanismus, gegenüber Stärkeren den Bückling zu machen und den Druck an die Nächstschwächeren weiter zu geben. Nach oben buckeln, nach unten treten.

Haltelinien überfahren, Vortritt missachten: Alltag aus Sicht der Velofahrenden, Herr Signer.

Da ziehe ich es vor, mich selbstbewusst und schnell, aber unter Beachtung der Regeln auf der mir zugedachten Fahrbahn fortzubewegen. Klar zeig ich ab un an unfähigen Automobilisten (zu denen auch Signer nach eigener Schilderung zu gehören scheint, ansonsten kann ich mir nicht erklären, warum er als Automobilist so oft unerfreuliche Begegnungen mit Velofahrern hat) wahlweise den Stinkefinger oder brüll ihnen ein herzhaftes «Arschloch» hinterher, wenn sie durch ihr gedankenloses Tun oder schiere Rücksichtslosigkeit meine Gesundheit gefährden. Und das kommt leider öfter vor, als mir Lieb sein kann.

Unterm Strich kann Signers Artikel leider nur als wohlfeile, aber inhaltsarme Polemik taxiert werden, welche Vorurteile gegen Velofahrer wiederholt und Gräben vertieft. Ein Beitrag zur Verbesserung des miesen, auf Besserwisserei, Selbstgerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit basierenden Verkehrsklimas in der Stadt Zürich ist der Artikel mitnichten. Chance verpasst, Herr Signer. Dabei liesse sich nicht nur ökologisch und aus Gründen der Volksgesundheit, sondern auch ökonomisch bestens für das Fahrrad argumentieren, von den tiefen Betriebskosten über die Tatsache, dass kaum ein anderes Verkehrsmittel einen in der Stadt so schnell von A nach B bringt, bis zum schonenden Umgang mit dem knappen Gut Strassenraum. In Zeiten grünliberaler Erdrutschsiege wäre das ein höchst hipper, ökonomisch und nicht ideologisch orientierter Ansatz gewesen.

Immerhin: Einigen frustrierten Blechkutschern wird David Signer mit seinem Artikel den Sonntag Morgen versüsst haben – und das ist ja auch schon etwas. Wenn auch kaum einer Zeitung wie der NZZ am Sonntag würdig, die mit dem Anspruch angetreten ist, bekannte Probleme auf unkonventionelle Art und Weise abzuhandeln. Denn durch die stete Wiederholung wohlfeiler Feindbilder wird das Verkehrsklima in Zürich kein bisschen besser.

Samstag, 13. März 2010

Mehr Bilder aus Spanien

Der Ausflug nach Katalonien war ein Erlebnis – höchste Zeit, die Bilder nachzuliefern. Von Testfahrten im Schnee, der Suche nach einem Internet-Café, einem versöhnlichen Abschluss und der Rückreise, zum Beispiel.

Nach einer kalten Nacht und einem umso besser schmeckenden Frühstück (Rührei, Speck, gutes Vollkornbrot und frisch gebrühter Kaffee sind sichere Werte) brachten uns Mitarbeiter von DT Swiss am Dienstag Morgen die technischen Details der neuen Federgabeln näher (wer sich dafür interessiert, findet die Details auf Frontlinemag.net).

Danach galt es, die graue Theorie in der Praxis zu erfahren. Also ab in mehrere Schichten Radbekleidung. Weil ich vor der Abreise von Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad ausgegangen war, hatte ich keine lange Radhose eingepackt – und war darum prompt ein Exot. Nur der Tobias von mtb-news.de erschien wie ich in kurzen Hosen zur Ausfahrt, die Knie mit Protektoren vor Auskühlung geschützt.

Kaum losgefahren, wurde mir aber selbst mein Frühlings-Tenue zu warm – denn es ging gleich zu Beginn der Testrunde bergan, und das durch nassen Schnee, mit entsprechend hohem Rollwiderstand und Schlupf. Also weg mit der Regenjacke, danach passte das von der Temperatur her schon deutlich besser.

Klar, wegen des ganzen Schmelzwassers wurde es an Füssen und Schienbeinen schnell frisch. Das galt erst recht nach einer Bachdurchfahrt. Prompt kam es, als ein Teil der Journalisten schon auf der anderen Seite des Wassers war, zu einer ausgelassenen Schneeballschlacht. Und das im März in Spanien.

Auf der folgenden Abfahrt sorgten die wegen der Nässe laut heulenden Scheibenbremsen für Belustigung: Unsere Gruppe erzeugte einen Lärm, als ob eine Horde brünstiger Esel den Berg runter kam. Nun, die Runde endete auf dem Strand – und das Meer war noch immer aufgepeitscht von den Sturmwinden der Nacht. Entsprechend eindrücklich knallten die Brecher gegen die Felsküste, und man konnte das Salzwasser buchstäblich riechen, so viel Gischt hing in der Luft.

Als am Mittwoch das Internet noch immer nicht funktionierte, wurde ich zum Improvisieren gezwungen: Schliesslich musste ein Artikel dringend in die Redaktion nach München. Nachdem ich morgens eine weitere Runde auf dem steifgefrorenen Test.Parcours gedreht hatte, lud ich den Artikel auf einen USB-Stick. Und machte mich gegen Mittag mit zwei Mitarbeitern von Schwalbe per Auto auf den Weg nach Blanes, wo es laut Hotel-Angestellten Strom und Web hatte.

Dem war in der Tat so: Während in Giverola, Tossa de Mar und Lloret de Mar, ja in der ganzen Provinz Girona gar nichts ging, war in Blanes nichts von einem Notstand zu spüren. Mal abgesehen davon, dass das Städtchen recht überlaufen war – wohl von Leuten, die vor dem Blackout geflüchtet waren. Während die Spanier bei etwa 5 Grad und Sonne auf dicke Jacken, Handschuhe, Mützen und Schals setzten, war ich in kurzen (Bike-)Hosen unterwegs – und wurde entsprechend angestarrt.

Kaum zurück in Giverola, schwang ich mich nochmals auf eines der Testbikes – denn das Mondraker «Fury RR» machte unverschämt viel Spass: Leicht, wendig wie Sau und mit 140mm Federweg an beiden Achsen, wuchs mir dieses Bike so richtig ans Herz. Weil ich die Route bereits kannte, zeigte ich zwei spanischen Kollegen und einem Briten, wo es lang ging. Und verfluchte im Anstieg, dass ich mir in Blanes noch einen Dürum genehmigt hatte, der nun etwas schwer auflag. Zumal die beiden Spanier bergan verflixt schnell waren. Auch diese Ausfahrt endete wieder auf dem Strand.

Wieder zurück im Hotel, kam ich nicht um eine kalte Dusche herum – und brüllte dabei wie ein berserkender Wiking. Dafür funktionierte das WLAN-Netz im Hotel ab dem frühen Abend wieder, was die Laune der meisten Journalisten schlagartig verbesserte. Wie auch die Aussicht auf etwas höhere Temparaturen und Sonne am Donnerstag. Denn weil mein Shuttle zurück nach Barcelona erst um 14 Uhr fuhr, blieb noch Zeit für eine letzte Ausfahrt.

Diesmal wagte ich mich auf den Singletrail, der sich von Tossa de Mar nach Giverola quer durch die felsige Steilküste zieht. Stellenweise exponiert, waren auf diesem Pfad eine ruhige Hand am Lenker und gute Nerven gefragt. Abgesehen von einigen Treppen und einer wirklich steilen Felspassage konnte ich aber alle Passagen fahrend bewältigen. Und den einzigen Sturz legte ich hin, als ich das Bike eine Treppe hoch trug.

Von diesem Küstentrail aus gabs immer wieder atemberaubende Aussichten auf das Mittelmeer und die Felsküste. Und weil wir zwischendurch immer mal wieder anhielten, um Photos zu schiessen, blieb auch genügend Zeit, diese Aussichten zu geniessen. Wieder zurück im Hotel, gönnte ich mir eine ausgiebige, warme Dusche im Hallenbad, ehe Gepäck packen angesagt war.

Nach einem letzten Abstecher ans Pasta-Buffet wurden wir zu dritt nach Barcelona chauffriert – und konnten auf dem Weg nochmals das Ausmass der Schäden sehen, welche der Schneesturm angerichtet hatte: Geknickte Bäume und unterm Gewicht des Schees kollabierte Blechdächer allenthalben, und dazu war auf der Autobahn der gesamte Pannenstreifen noch mit Schnee bedeckt.

Bis zum Boarding blieb noch viel Zeit, und weil Chris vom deutschen Magazin Mountain Bike seinen Rückflug etwa zur gleichen Zeit hatte, streiften wir gemeinsam durch das schnieke Terminal 1 des Flughafens Barcelona – kein Vergleich zum kaum isolierten, nicht geheizten Terminal 2, in dem ich am Montag lange hatte warten müssen.

Nun, der Flug war pünktlich, so dass ich um 21:30 Uhr wieder in der Schweiz war – und oh Wunder sogar noch den Schnellzug um 21:52 Uhr erwischte. Dass es auch in der Schweiz kalt war und schneite, konnte meine Laune nicht verderben. Schliesslich wartete eine geheizte, gut isolierte Wohnung mit Strom und Internet auf mich. Sometimes it’s good to come back home.

Donnerstag, 11. März 2010

Ein Lebenszeichen...

Soeben wieder aus Spanien zurück - und sieh an, auch hier ist noch Winter. Wenn ich auch bezweifle, dass dies in der Schweiz so ein Chaos wie in der Provinz Girona verursacht hat.

So sah es aufm Weg von Barcelona nach Giverola aus:
Steckengebliebene Autos, geknickte Bäume und dichtes Schneetreiben.

Fünfzehn Zentimeter pappnasser Neuschnee, mit viel Wind gefallen, sorgten dort nämlich für Staus, gesperrte Strassen, unzählige geknickte Bäume und Strommasten - und einen flächendeckenden Stromausfall. Es soll der schlimmste Wintersturm in den vergangenen 25 Jahren gewesen sein. Während das Hauptgebäude unseres Hotels dank eines Notstromaggregats und Gas-Heizstrahlern den Betrieb noch aufrecht erhalten konnte, waren das Handy-Netz und das Internet verstummt.

Von wegen Romantik: In den Appartementen wars nicht nur dunkel, sondern auch kalt.

In den Appartementen, wo wir untergebracht waren, hatte es dann weder Strom noch Warmwasser. Diese schmucken Häuschen bieten zwar eine wunderbare Aussicht aufs Meer , sind aber nicht isoliert. Und als Heizung stand ein Elektro-Ofen rum - was schon fast unfreiwillig komisch wirkte. Mal etwas Neues, einige Tage ohne Handy, Internet und mit Steckdosen im Hauptgebäude des Hotels als begehrtem Gut.

Ein Blick vom Balkon auf den verschneiten Strand mit Palmen. Mehr Bilder aus Giverola folgen.

Sonntag, 7. März 2010

Aufbruchstimmung

Morgen in aller Frühe gehts an die Costa Brava, um in Giverola neue Federgabeln von DT Swiss im Gelände durchzukneten. Der Countdown läuft...

Flug LX 1952 mit Ziel Barcelona startet morgen um 7:20 Uhr in Zürich - also muss ich schon vor 6 Uhr auf die S-Bahn zum Flughafen. Eine schöne Bescherung, da lohnt es sich fast nicht, sich noch hinzulegen. Zumal heut Abend um 20 Uhr noch eine Sitzung zum 13. Bambole Openair statt findet. Also gilt es, so viel wie möglich so zeitig wie möglich vorzubereiten.


Auch für die katalonische Küste wird in der kommenden Woche nicht sooo das Hammerwetter erwartet: Wind aus Norden, dazu tiefe Temperaturen und in der Nacht auch einmal eine Schneeflocke. Aber ich bin ja weder ein Weichei noch ein Schönwetter-Fahrer. Also gilt es, die richtigen Klamotten einzupacken.

Beim Gepäck gilt, dass weniger mehr ist. Der kleine Kofferrolli, dazu der Rucksack als Kabinengepäck müssen reichen. In den Rucksack kommen neben Laptop, Kamera und Handy inklusive aller Kabel und Adapter noch einige, wenige Sachen - etwa der Helm, dem ich die oft ruppige Behandlung des Gepäcks nicht zumuten mag, oder das Necessaire. Das übrige Zeugs zum Radel ist stossfest, also kanns in den Rolli. Wie auch die Reinigungsflüssigkeit für die Kontaktlinsen: Weils mehr als 100ml sind, darf die nicht ins Kabinengepäck. Lang lebe die Terror-Paranoïa, auch fast zehn Jahre nach 9/11.

Freitag, 5. März 2010

Oldtimer der lautlosen Sorte

Als ich heute auf Einkaufstour durch Winterthur flitzte, fiel mir ein unlackiertes, altes Stadtradl auf - und das Teil entpuppte sich als veritabler Oldtimer.

Dass jemand einen Stahlrahmen ohne schützende Lackschicht den Witterungseinflüssen aussetzt, kommt selten vor. Darum fiel mir der klassische Drahtesel, der im Stadtzentrum gegen einen Baum angelehnt war, sofort auf. Abgesehen von etwas Flugrost, der für eine fast schon noble Patina sorgte, war der Rahmen auch noch in bemerkenswert gutem Zustand.

Auch die Ausstattung war stilecht - vom grossen Brooks-Sofa bis zum über einen Nippel abschmierbaren Tretlager. Laut dem Signet aufm Steuerrohr handelt es sich um ein Fahrrad des britischen Herstellers Hercules Cycle & Motors. Diese Firma wurde 1910 in Aston, Birmingham, gegründet, feierte 1939 bereits das sechsmillionste produzierte Rad. Die Hälfte der in den 30er Jahren produzierten Räder ging in den Export. Dem rasanten Aufstieg folgte in den 50er Jahren der schnelle Fall: Die Diversifizierung in Richtung Mofas und Motorräder scheiterte, und die Firma wurde nach einigen Besitzerwechseln zu einem Teil von Raleigh.

Nun, eines der vielen exportierten Hercules-Räder hat es ganz offensichtlich bis nach Winterthur geschafft - und wird nun ohne schützende Lackschicht im Alltag genutzt. Auf jeden Fall schön, wenn der Rost mal nicht vor allem am Antrieb zu finden ist, sondern an einem Rahmen, der aus einer einst grossen Fabrik stammt.

Donnerstag, 4. März 2010

Bikewrecks VI: Das Grauen geht weiter

Die Spuren des Winters sind unübersehbar - vor allem an salzversehrten, nach einem Service schreienden Fahrrädern. Auch heute sind mir wieder zwei Wracks auf Rädern vor die Linse geraten.

Das eine Wrack wurde an einem der Fahrradständer bei der Polyterrasse doch eher lieblos aus dem Weg geräumt, um Platz für weitere Fahr- und Motorräder zu schaffen. So hängt es nun kopfüber am Ständer, beziehungsweise balanciert eher auf selbigem.

Ob das mittelprächtig deformierte Hinterrad noch ohne am Rahmen zu streifen läuft, wage ich mal zu bezweifeln. Bloss: Eine fachmännische Reparatur dieser Schwarte würde wohl teurer zu stehen kommen als der Neupreis - vermutlich der Grund, warum dieses Wrack von niemandem mehr abgeholt werden wird. Anders als das Exemplar, das ich als "Bikewreck V" vorgestellt hatte: Das war heute verschwunden.

Auch der zweite Kandidat ist nur noch sehr bedingt betriebsbereit: Der platte Hinterreifen ist da noch eine Bagatelle - so etwas liesse sich ratzfatz reparieren. Schon eher ersetzen müsste man die komplett rostige Kette. Das echte Problem ist aber ein anderes: Anscheinend sind sich Schaltwerk und Speichen mal zu nahe gekommen.

Mit dem unschönen Resultat, dass das Schaltwerk mitsamt Schaltauge abgerissen wurde. Wenn dieses Rad jemals wieder mit einer Gangschaltung unterwegs sein soll, ist jemand gefragt, der sich beim Schweissen von Aluminium auskennt. Und ob sich dieser Aufwand lohnt, wage ich doch dringend zu bezweifeln.

Zum Schluss noch etwas Erheiterndes: Nach dem Mittagessen stach mir die doch reichlich schlüpfrige Aufschrift auf einem grossen LKW ins Auge - einem Spezialgefährt für Kanalreinigungen. Bei "Weiss + Appetito" kam mir schon mal eine Weisswurst in den Sinn, und dann noch diese beiden Worte darunter - meine Herrschaften, das wird nicht nur auf Baustellen für Heiterkeit sorgen. Oder äussert der Fahrer so gleich schon seine Wünsche gegenüber den Strassenprostituierten?