Freitag, 18. Dezember 2009

Das Minarett – radikal marktwirtschaftlich betrachtet

Die ganze Diskussion um Muslime, Parallelgesellschaften und Leitkultur dreht zur Zeit im roten Bereich. Zeit für einen irritierenden Einwurf – oder wie man die SVP mit SVP-Argumenten ad Absurdum führt. Denn intelligenter Widerspruch ist kein Monopol des Roger Köppel...

Die SVP sieht sich gerne als radikal marktwirtschaftliche und freiheitliche Partei – das ist zwar etwas kurios bei der Interessenvertreterin von Landwirtschaft und Gewerbe und beisst sich auch mit dem Widerstand gegen Parallelimporte. Aber wohlan, nehmen wir die «Froue und Manne» mal genau bei ihrem Wort. Und schauen, was dabei raus kommt.

So wird die SVP nicht müde zu betonen, dass es in der Schweiz zu viele Gesetze gebe und dass der Staat dem Bürger zu oft bei Privatangelegenheiten drein rede. Nun, wenn man davon ausgeht, dass die Schweiz ein laizistischer Staat ist (und das will ich schwer hoffen), dann hat der Staat kein Gesetz zu erlassen, das einer bestimmten Glaubensgemeinschaft unnötige Vorschriften macht. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um das Diskriminierungsverbot, das von Gutmenschen unablässig (und zurecht) gegen die Minarett-Initiative bemüht wird, sondern um den überregulierenden Staat, der die Freiheit der Individuen ebenso unnötig wie unverhältnismässig beschränkt.

Zudem ist die SVP eine ganz grosse Verteidigerin des Föderalismus in der Schweiz – und der Gemeindeautonomie. Zentralisierungs- oder Harmonisierungsbestrebungen sind dieser Partei ein Greuel, wie ihr Widerstand in der Bildungspolitik gegen Harmos zeigt. Daher hätte sich die SVP eigentlich auch mit Vehemenz gegen den eidgenössischen Bauvogt stellen müssen, der den Gemeinden und Kantonen in Fragen der Bau- und Zonenplanung nun unnötig reinredet.

Vor allem aber spricht das marktwirtschaftliche Denken gegen den Griff zur Verbotskeule: Denn wenn nur der reine und unverfälschte Markt jeweils ein optimales Resultat zeitigt und jeder Staatseingriff zu Verzerrungen mit Kostenfolgen führt, dann kommt ein Minarett-Verbot nicht in Frage. Vielmehr müsste dann den Muslimen als dynamisch wachsender Glaubensgemeinschaft die Möglichkeit offen stehen, Sakralbauten von Gemeinschaften mit erodierendem Mitgliederbestand, aber stark ausgebauter Infrastruktur (im Klartext: den Landeskirchen!) zu übernehmen und nach entsprechenden baulichen Anpassungen für ihre Zwecke zu verwenden.

DAS, meine liebe Froue und Manne, wäre wahre und reine Marktwirtschaft! Das Minarett-Verbot hingegen ist ein unverhältnismässiger Eingriff ins Spiel der Marktkräfte, und hat somit den rostigen Paragraphen verdient, den die «IG Freiheit» jeweils an Personen verleiht, die sich aus ihrer Sicht besonders um unnötige Gesetze verdient gemacht haben. Weil die «IG Freiheit» aber eine mehr schlecht als recht kaschierte SVP-Veranstaltung ist, wird es dazu nicht kommen.

Gleichwohl sind die selbsternannten Hohepriester der radikalen Marktwirtschaft und des freiheitlichen Staates hiermit dazu aufgefordert, mir stringent darzulegen, wie sich ein gesamtschweizerisch Minarettverbot mit der Reinheit der marktwirtschaftlichen Lehre und des freiheitlich-föderalen Staates verträgt. Ich bin gespannt...

1 Kommentar:

  1. hohe ideologische & rhetorische (sprach)kunst, inhalt brilliant, da ist uns ein hervorragender journalist geboren. bravo !!! ein genie ist hier am drücker !!!

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