Freitag, 30. Oktober 2009

Wenn Ignoranz auf Selbstgerechtigkeit trifft

Einige Leute wollen noch immer nicht begreifen, dass es sich beim «eRockIt» NICHT um ein Fahrrad handelt – nachzulesen in der Kommentarsektion der Online-Ausgabe des Tages-Anzeigers.

Am 20. Oktober meldete der Online-Tagi aufgeregt – und gestützt auf ein körnig-unscharfes Leser-Photo – dass sich ein Unbekannter mit einem Velo auf die Autobahn gewagt habe. Sogleich meldeten sich eingefleischte Velohasser wie die Herren Fernando del Rio und Felix Wagner (ich bezeichne die beiden Herrschaften so, weil sie sich schon in den Kommentaren zu anderen Artikeln entsprechend positioniert haben), um ihrer Empörung und ihrem generellen Missfallen gegen Velofahrer Ausdruck zu verleihen. So weit, so mittlerweile gewohnt.

Zuerst informieren, dann in empörtem Tonfall klugscheissern: Wer sucht,
findet rasch Informationen zum «eRockIt» - man beachte das Kennzeichen.

Witzig ist, dass diese Herrschaften sich auch als komplett belehrungsresistent erweisen: Denn zwei Kommentare, welche das geknippste Vehikel als Elektro-Motorrad mit Autobahn-Zulassung identifizierten, wurden sogleich ins Land der Märchen verwiesen. So beharrt Herr Wagner wider besseren Wissens darauf, dass das «eRockIt» kein Kennzeichen aufweise. Eine kurze Suche mit dem Stichwort «eRockIt» auf YouTube fördert eine Reihe von Clips zu Tage, auf denen das grosse Motorrad-Kennzeichen des «eRockIt» deutlich zu erkennen ist. So eine Suche ist aber viel zu aufwändig – viel einfacher ist es für den Herrn Wagner, mir statt dessen vorzuwerfen, dass ich Unwahrheiten verbreite.

Der legendäre Mohammed Saeed Sahaf, letzter Regierungssprecher Saddam Husseins,
hat in Sachen Leugnung offensichtlicher Tatsachen in Felix Wagner einen Bruder im Geiste.

Zudem behauptet derselbe Herr, dass Fahrzeuge, die keine 100 Sachen erreichen, nichts auf der Autobahn verloren hätten. Es muss wirklich schon lange her sein, dass Herr Wagner die theoretische Prüfung bestanden hat – und seither muss viel Kalk gerieselt sein. Denn das Mindesttempo auf Autobahnen in der Schweiz beträgt 80km/h, in Deutschland und Italien gar nur 60km/h. Und dieses Tempo erreicht das «eRockIt». Wer verzapft da also Unwahrheiten? Und meint dazu noch, andere belehren zu müssen?

Nochmals lustiger ist der Fernando del Rio, der Velofahrer pauschal als «Velölis» beschimpft und ihnen die Missachtung aller Verkehrsregeln vorwirft. Leute wie del Rio müssen nicht nur einen sehr tiefsitzenden Frust mit sich herum schleppen – wohl genährt von unzähligen Stunden im Stau und bei der Suche nach Parkplätzen. Sie tragen mit ihrer selbstgerechten Intoleranz auch zum bedenklich vergifteten Verkehrsklima in und um Zürich bei.

Frust, gezüchtet in stehenden Blechdosen: Vielen Automobilisten bekommt es emotional
nicht gut, wenn ihr Freiheit versprechendes Vehikel zur Fussfessel im Stau wird.

Zu Herrn del Rio’s Information: Als Velofahrer hat man keine Knautschzone – und erlaubt sich darum aus reinem Selbsterhaltungstrieb schon einmal vieles nicht, was für Blechkutscher schon fast selbstverständlich ist: Bei Dunkelorange in die Kreuzung rollen, um dann allen und jedem im Weg rumzustehen, voll aufm Fussgängerstreifen anhalten, den Vortritt von Fussgängern mutwillig missachten, andere durch Unaufmerksamkeit gefährden (Stichwort Handy am Steuer oder Rechtsabbiegen ohne Blinkerstellen und ohne Blick über die Schulter), auf Radwegen parkieren oder rechtsbündig in der Kolonne rumstehen und so den Velofahrern den Weg verstellen: Die Liste der Aktionen, mit denen sich Blechkutscher in der Stadt unbeliebt machen, ist lang.

Gefährdet oder verdrängt werden meist diejenigen, die nicht in einem Auto sitzen. Und darum fällt es Autofahrern wie del Rio wohl nie auf, was für eine verdammte Zumutung sie bei der Ausübung der ihnen heiligen Freiheit des motorisierten Individualverkehrs für den Rest der Menschen darstellen. Womit wohl auch der Grund für die atemberaubende Selbstgerechtigkeit dieser Herrschaften angesprochen wäre. Wer käme schon auf die Idee, sich in seinem klimatisierten Schloss auf Rädern in Frage zu stellen?

2 Kommentare:

  1. Klasse Beitrag zu dem Thema absolut auf den Punkt gebracht.

    beste Grüsse Yoe

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  2. Selten so gelacht. Leider trift es aber absolut auf den Punkt.

    Gruäss

    Bergaufbremser

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