Montag, 1. Dezember 2008

Von Dauerbaustellen und Himmelstürmern

Kurzfristig wurde ich von einem meiner Auftraggeber angefragt, ob ich an einer von der Taiwanesischen Handelskammer organisierten Pressereise teilnehmen wolle. Mal sehen, wo und wie ein Grossteil der Bike-Rahmen und -Teile hergestellt werden: Warum nicht?

Keine zwei Wochen später verliess ich kurz nach fünf Uhr morgens (und das an einem Sonntag) meine Wohnung, mit Kofferrolli und Daypack. Über eisglatte Trottoirs stapfte ich fröstelnd und noch nicht wirklich wach zum Bahnhof Winterthur, von wo ich per S-Bahn zum Zürcher Flughafen gelangte. Nach einem Cappucino Grande von StarBucks war ich dann auch so weit aufnahmefähig, dass ich mich im Flieger nach Frankfurt der NZZ am Sonntag widmen konnte.

Der diskrete Charme des Gammels und der Improvisation: FraPort ahoi!

Bauen, basteln ohne Ende: FraPort
Binnen einer Stunde setzte der Flieger in Frankfurt auf. Und obwohl Mainhattan sich mächtig was auf den FraPort einbildet, ist dieser Flughafen in meinen Augen eine mittlere Zumutung. An allen Ecken und Enden siehts aus, als ob es Mike Krüger langweilig geworden wär. Mach Dein Ding, der Hobby-Handwerker lässt grüssen und der FraPort wird zur Dauerbaustelle. Mal versperren Baugitter die Sicht auf erst im Rohbau erstellte Gates, mal hängen Kabel von der Decke, das man sich in der heruntergekommenen Schwesterstadt von Pristina wähnt.

Offene Kabel, Bauabschrankungen, ein Luftentfeuchter und braunes Papier aufm Boden:
Passt doch alles bestens zur Auslage dieser Parfümerie, oder?
Lieblos mit einem grossen L.

Vor allem aber ist das Signalisierungskonzept doch eher eigenwillig. So sind Schautafeln mit den Abflügen dort angebracht, wo man sie weder vermutet noch ohne weiteres sehen kann. Weil ich im Transit das Terminal wechseln musste, kam ich immerhin noch in den Genuss einer Fahrt in der FraPort-Hochbahn. Und im Rahmen einer Stichkontrolle wurden dann gleich auch noch Laptop, Diktiergerät und Digitalkamera auf Sprengstoffspuren untersucht – offensichtlich nur darauf, denn es kam zu keinem auffälligen Befund.

An diesen Bauabschrankungen vorbei gelangt man ins Terminal 2.

Vom Winter in die tropische Schwüle
Der Flug nach Taipeh dauerte über 12 Stunden. Zum Glück war der Jumbo nicht voll belegt, so dass auch in der Economy-Class das Sardinen-Gefühl weitgehend ausblieb. Ich kam gut voran in einem Buch, das ich dringend lesen muss, und dann wurde auch noch ein Film gezeigt, den ich im Kino verpasst hatte: Der kleine Roboter Wall-E räumt die von Menschen ruinierte Erde auf. Disney macht einen auf Konsumkritiker, im 21. Jahrhundert scheint alles möglich und nichts ausgeschlossen.

Englisch meets Chinese - so etwas wie das Markenzeichen Taiwans.

Kurz vor Mitternacht mitteleuropäischer Zeit setzte der Flieger dann in Taiwan auf. Gleich nach dem Verlassen des überklimatisierten Fliegers fiel etwas auf: Es ist warm und schwül in Taiwan, sogar im Dezember. Und weil Jumbos nicht auf Taipehs Stadtflughafen landen können, holte mich ein vom Hotel bestellter Chauffeur ab. So kam ich in den Genuss, im Fond einer S-Klasse Beinraum und Platz bis zum Abwinken zu haben – nach einem halben Tag im Jumbo fast schon ein Schock. Aber nur fast.

Die Gefahr lauert überall - etwa, wenn Kinder unbeaufsichtigt eine Rolltreppe benutzen.

Wenn das fremde Land entlang des Highways nicht so faszinierend anders gewesen wäre, hätte mich im Fond womöglich der Schlaf übermannt. So saugte ich die exotische Vegetation, die nur aus der Ferne so aussieht wie gewohnt, und die Landschaft geradezu auf. Ich hätte nicht gedacht, dass Taiwan so hügelig ist – und doch so stark industrialisiert. Verpflanzt den Ruhrpott ins Appenzell – et voilà, schon habt Ihr eine Kopie von Taiwan. Wo man hinschaut, recken sich bewaldete Hügel, Hochspannungsleitungen und Kamine gen Himmel. Auf einem alten Tempel prangte gar ein übergrosses Swastika, in Europa durch diesen Ösi-Zöllnerbastard als Hakenkreuz zu fragwürdiger Bekanntschaft gelangt.

Und bitte schön auch immer schön am Geländer festhalten...

Bereits auf dem Weg nach Taipeh drängten sich erste Eindrücke auf: Diese Metropole ist hochgradig verdichtet und äusserst geschäftig. Und auf den letzten Kilometern bis zum Hotel konnte ich nur staunen, wie es die Taiwanesen schaffen, sich grösstenteils um die Verkehrsregeln zu foutieren und dennoch keine Unfälle zu bauen.

Ein Blick aus dem Hotel-Fenster: Der 101-Tower scheint zum Greifen nah.

Zumal sich Gevatter Staat wirklich alle Mühe gibt, vor jeder erdenklichen Gefahr im Leben zu warnen. Und viele im Alltag selbstverständliche Dinge schlicht zu verbieten – etwa Wasser trinken auf dem Bahnsteig der U-Bahn. Eins war für mich angesichts des herrlichen Wetters schon klar: Schlafen konnte ich später, jetzt wartete diese emsige Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten wie dem «101 Tower» auf eine Erkundung.

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