Sonntag, 23. November 2008

Plastik-Doris und die bösen Ökoterroristen – pardon, Umweltverbände

Ende November entscheiden die Abstimmenden in der Schweiz über die Zukunft der Verbandsbeschwerde. Ein Teil des Freisinns scheint bereit, für ein Fussballstadion den Rechtstaat zu entsorgen.

Falls sich Doris Fiala, Präsidentin der Zürcher FDP, und ihre Co-Initianten Ende November an der Urne durchsetzen, wird das Beschwerderecht der Umweltschutz-Verbände nochmals deutlich geschwächt. Denn gegen Entscheidungen des Volks oder kommunaler Parlamente sollen laut der Verbandsbeschwerde-Initiative künftig keinerlei Rekurse mehr zugelassen sein – es sei denn, durch das Bundesamt für Umwelt, wie Fiala selbst rasch betont.

Hier droht kein Widerspruch: Doris Fiala mit (v.l.) Peter Spuhler und Adrian Amstutz von der SVP und Filippo Leutenegger (angeblich von der FDP, aber oft auf SVP-Linie)

Erstens erscheint es höchst merkwürdig, dass ausgerechnet die Zürcher FDP darauf pocht, Aufgaben von privatrechtlich organisierten Verbänden abzuziehen und zu einer staatlichen Behörde umzulagern. Wie war das einst mit der Forderung nach «mehr Freiheit, weniger Staat»? Solche Ideale scheinen im Frust um das komplett überdimensionierte Hardturm-Stadionprojekt in Zürichs Westen über Bord geschmissen worden zu sein. Bemerkenswert.

Hat das Volk immer Recht?
Weit bedenklicher ist aber zweitens die Einstellung, welche zu dieser Initiative geführt hat: Denn die Initianten bestehen darauf, dass das Volk (oder vom Volk gewählte Legislativen) das letzte Wort und damit immer Recht habe. Dazu lässt sich frei nach Radio Iswestija sagen: Im Prinzip ja, aber... Weil Abstimmungsvorlagen in der Schweiz nicht darauf hin überprüft werden, ob sie gegen Menschen- oder Grundrechte verstossen (es gibt weder auf kantonaler noch auf bundesstaatlicher Ebene ein Verfassungsgericht), kann das Volk auch Beschlüsse fassen, die rechtstaatlich nicht tragbar sind. Und sich daher nicht auf Gesetzesebene umsetzen lassen, wie sich aktuell bei der Frage der Verwahrung von Sexualstraftätern zeigt.
Das Stadion des Anstosses: Fünfeckig und bis zu fünfzig Meter hoch, passte das Hardturm-Projekt ins Quartier wie ein abgestürztes UFO.

Drittens steht die Verbandsbeschwerde-Initiative mittlerweile doch etwas schräg in der politischen Landschaft: Schliesslich haben die beiden Kammern des eidgenössischen Parlamentes bereits im Zuge der Revision der Umweltgesetzgebung substantielle Einschränkungen der Verbandsbeschwerde beschlossen. Auch die Fussball-EM 2008 ist vorbei – und damit die Stadionbau-Euphorie, in deren Zug sogar Elmar Ledergerber sich bemüssigt sah, den VCS des «Ökoterrorismus» zu bezichtigen. Die Gegenseite hätte damals genauso über Beton-Brutalismus, Bau- oder Schattenwurf-Terror polemisieren können. Tat sie aber nicht – statt dessen fanden sich im vom Volk abgesegneten Bauprojekt eine ganze Reihe von Mängeln.

Von Schönwetter-Ökos und Bauklötzchen
Schliesslich entlarvt diese Initiative einen guten Teil des Freisinns als Schönwetter-Ökos: Mit dem Porsche in die Stadt fahren, um sich Al Gore’s «An inconvenient truth» anzugucken und danach mit Cüpli in der Kralle einen auf betroffen zu machen. Wenns aber drauf an kommt, wird die verbliebene Rest-Natur dem Profit zuliebe zubetoniert, getreu dem Slogan «Mehr Wachstum für die Schweiz» und gegen alle geltenden baurechtlichen Bestimmungen. Da passt es, dass ein Unterstützungskomitee für die Initiative mit Bauklötzchen als Element der Gestaltung operiert: Ein passendes Spielzeug angesichts der demonstrierten Unreife - und zudem eins, wo Bauprojekte meist noch ohne Rekurse durchgehen.

Immerhin: Laut den Gegnern der Initiative zeigen die letzten Umfragen , dass die Verbandsbeschwerde-Initiative einen ganz schweren Stand haben dürfte. Die Unterstützung hält sich zu Doris Fiala’s Leidwesen nicht nur in der FDP in engen Grenzen. Quer durch das politische Spektrum melden sich Stimmen, die vor dem Denken warnen, welches dieser Initiative zu Grunde liegt. Und welches davon ausgeht, dass das Volk immer Recht hat – auch wenn es drauf und dran ist, den Rechtstaat zu entsorgen und statt dessen der Willkür Tür und Tor zu öfffnen. Eine Vorstellung, die sonst vor allem vom populistischen Flügel der SVP lautstark ventiliert wird.



PS: Eine Auflistung aller Mandate schweizerischer Parlamentarier zeigt, dass sich die PR-Fachfrau Doris Fiala auch für den Kunststoffverband Schweiz ins Zeug legt. Da fällt mir doch unwillkürlich Jan Delay’s Song «Plastik» ein – und die Textzeile «...das ist doch eklig, denn das ist vom Dixi-Klo die Schwester.» Keine Angst, die Rede ist nicht von Doris Fiala, sondern von Polyester.

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