Dienstag, 23. September 2008

Ein Bad mit Aussicht

Nach der grossen Funkstille im Monat September will ich kurz nachtragen, was sich so alles ereignet hat – so viel vorweg: Es war eine hektische Zeit.

Wie jedes Jahr pilgerte ich anfangs September nach Friedrichshafen, um mir an der Eurobike einen Überblick über die wichtigsten Neuheiten in der Fahrradbranche zu verschaffen. Diese werden noch in einem eigenen Eintrag gewürdigt werden, aber so viel vorweg: Das Rad wird für die Saison 2009 nicht neu erfunden, und über viele der grossen Trends an der Eurobike habe ich bereits in den vergangenen 12 Monaten berichtet. Obs nun um E-Bikes, Singlespeeder oder um hochwertige Räder für Frauen ging.

Working hard - partying hard: Samstag Abend, Friedrichshafen, Messe-Party.

Quer durch die Schweiz - mit gedrosseltem Tempo
Kaum wieder aus Friedrichshafen zurück, machte ich mich an einem Dienstag auf den Weg, um für meinen Bruder eine Durchtub-Badewanne nach La Planche im Wallis auszuliefern. Von der Nordostschweiz so etwa der am weitesten entfernte Ort... Also machte ich michum halb elf Uhr morgens auf den Weg: Hunderte Kilometer Autobahn, mit Anhänger und darum zu Tempi zwischen 90 und 100km/h «verdammt». Dank dem Navi kam ich gut voran, einmal abgesehen von einem Stau nach nur 15 zurück gelegten Kilometern: Dieser wurde durch ein Pferd verursacht, das aus einem Transporter gefallen war – und um ein Haar von einem Tanklastzug erfasst worden wäre.

Kurzer Zwischenstopp vor imposanter Bergkulisse: Zwischen Martigny und Verbier.

Ab Martigny folgte ich der Route des Grossen Sankt Bernhard, bog dann in Richtung Verbier und schliesslich in Richtung Vens/Col des Planches ab. Von nun an wurde die Route abenteuerlicher: Die Strasse steil, der Belag mit unzähligen Rissen und Schlaglöchern übersäht, und die Serpentinen zwangen immer wieder dazu, bis in den ersten Gang zurück zu schalten. Oben am Col des Planches, auf über 1400 Meter über Meer, wartete ich dann auf den Kunden.

Dünne Luft für den Dutchtub: Oben auf dem Col des Planches, auf 1411müM.

Über schmale Naturstrassen ans Ziel
Der erschien in seinem Freelander und fuhr das letzte Stück bis zu seinem Haus voraus. Wie sich herausstellte, führte diese Route über einen unbefestigten Forstweg, wieder mit Serpentinen. Nicht ganz ohne war es dann auch, die Wanne an ihren Bestimmungsort zu tragen, war der Garten doch in mehreren Stufen terrassiert. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und bald stand der Durchtub mit der wohl schönsten Aussicht der Schweiz an seinem Ort.

Vom aufwändig restaurierten Chalet gehts direkt in die Wanne.

Nachdem ich dem Kunden die Unterlagen übergeben und nochmals die wichtigsten Schritte beim Einheizen erklärt hatte, machte ich mich wieder auf den Weg ins Tal. Mit leerem Hänger flitzte ich nur so den Hang hinunter, und auch auf der Autobahn waren danach Tempi zwischen 100 und 110 angesagt. Mit Hänger liegt die Tempolimite in der Schweiz eigentlich bei 80km/h, aber dann wird man für die LKWs zum Verkehrshindernis.

Diese Aussicht kann sich sehen lassen - zumal aus der Badewannen-Perspektive.

Beobachtungen aus dem Reservat der Hirnlosen - die Autobahn
Die stundenlange Rückfahrt, während der ich Bern just zur Abend-Rushhour passierte, war mal wieder eine Demonstration dafür, weshalb mir Autofahren zuwider ist. Was ich an diesem Tag an haarsträubenden Manövern von schlechten Fahrern beobachten musste, ging mal wieder auf keine Kuhhaut. Immer wieder wurde ich Zeuge, wie im dichten Verkehr viel zu nahe aufgefahren wurde. Prompt mussten diese Helden dann auf der linken Spur heftig in die Eisen, mit dem bekannten Dominoeffekt nach hinten.

Dass dieses Verhalten nicht nur die Unfallgefahr erhöht, sondern für alle Nutzer der Autobahn Stress bedeutet, dürfte einleuchten. Weshalb ich auch dringend dafür plädiere, dass die Betätigung des Bremspedals auf der linken Fahrspur mit Stromschlägen mittlerer Stärke belohnt werden sollte. Denn wer vorausschauend fährt und den Sicherheitsabstand einhält, kann Auffahrunfälle mit der Motorbremse vermeiden – und muss nicht brüsk bremsen. Wer auf der linken Spur voll in die Eisen muss, hat selbst den Fehler schon begangen. Und lässt alle hinter ihm fahrenden an seinem Fehler teilhaben.



Tank Car Crash Show - video powered by Metacafe

Bei der Bundeswehr weiss man noch, wie man mit schlechten Fahrern und ihren Gefährten umgeht. Recht so, immer feste drauf!

Grosse Autos, grosses Problem
Auch meine Abneigung gegen SUVs wurde anlässlich dieser Fahrt wieder einmal bestätigt: In diesen Zivilpanzern sitzen entweder ganz unsichere und schlechte Fahrer(innen) – oder rücksichtslose Arschgeigen, die wohl ihren Frust vom Arbeitsplatz abreagieren müssen und darum am liebsten drängeln und rechts überholen. In den allermeisten Fällen ist der Fahrstil der Lenker von SUVs mindestens so daneben wie der Verbrauch dieser rollenden Fossilien.

Anyway, ich hab mich um all die Idioten und Vollpfosten herum geschlängelt und einen sicheren Weg nach Hause gefunden. Die nächste längere Autofahrt, bei der ich hinters Steuer muss, darf aber von mir aus noch eine Weile auf sich warten lassen. Ich setz mich lieber in einen Zug, um dort etwas lesen oder am Laptop arbeiten zu können.

Einige Gedanken zum Thema Botellon

Die Jugend rebelliert mal wieder – indem sie im öffentlichen Raum Massenbesäufnisse zelebriert und ihren Dreck einfach liegen lässt. Die grössten Flaschen scheinen mir beim Botellon definitiv die Teilnehmer zu sein.

Das Phänomen stammt, wie der Name verrät, aus Spanien: «Botellon» heisst denn auch «grosse Flasche» auf Spanisch, und dort gibt’s die Massenbesäufnisse im öffentlichen Raum bereits seit einer Weile. Weil, wie die Jungen raisonieren, sie sich die überhöhten Preise für Alkohol in den Bars und Clubs nicht leisten können. Früher nutzte die Jugend noch Dorffeste, das Knabenschiessen, das Dörfli- oder das Langstrassenfest, um sich die Kante zu geben. Oder einfach die Fasnacht.

Der Auflauf als Beweis der eigenen Vernetzheit
In Zeiten von Facebook und Mobiltelephonen gilt es hingegen, eigene Events zu kreieren – und über die Teilnehmerzahl die eigene Vernetzung greif- und sichtbar zu machen. Und weil man als Jugendlicher noch keine eigene Bleibe hat, um eine Party zu schmeissen (und die Eltern zu selten in die Ferien verreisen), wird der öffentliche Raum zum Partylokal umfunktioniert. Das wäre ja grundsätzlich noch kein Skandal. Wie bei den Teilnehmern gilt aber auch für die Spuren: Der Kater folgt am kommenden Tag, in Form zugemüllter Parkanlagen und mit Scherben gespickter Liegewiesen.

So musste nach dem ersten Zürcher Botellon nicht nur gegen 6 Tonnen Müll entsorgt werden. Auch die beliebte Blatterwiese blieb am letzten schönen August-Wochenende für drei Tage gesperrt, weil die rund 2000 jungen Säufer(innen) das Grün flächendeckend mit Scherben kontaminiert hatten. Super auf einer Wiese direkt am See – ein Dankeschön an die flotten Teilnehmenden von meiner Seite. Dass zu allem Überfluss auch Sanitäter, die Schwerstrunkenen Hilfe leisten wollten, prompt angepöbelt und danach von der Polizei eskortiert werden mussten, passt bestens ins Bild. Zumal auch die bereit gestellten Container bloss umgekippt, aber demonstrativ nicht benutzt wurden.

Botellon Winterthur, oder: Wie blöd können 250 Leute tun?
Inzwischen haben verschiedene Städte und Käffer der Schweiz ihren ersten Botellon erlebt – mit durchaus unterschiedlichen Begleiterscheinungen: In der Romandie blieben diese Anlässe durchaus gesittet, und der Reinigungsaufwand hielt sich in engen Grenzen. Dagegen hatte der Botellon in der Winterthurer Altstadt ätzende Folgeerscheinungen: Die Putzequipen und die Feuerwehr konnten nur unter Polizeischutz anrücken, zwei Personen mussten nach Handgreiflichkeiten verarztet werden, und wegen eines entfachten und stundenlang am Brennen gehaltenen Feuers erlitt der Strassenbelag in der Steinberggasse gravierende Schäden.

Da die Winterthurer Stadtpolizei vor Ort war und die Personalien von Leuten aufnahm, die es mit dem Über-die-Stränge-Schlagen übertrieben hatten, darf man immerhin davon ausgehen, dass für die Folgekosten des Botellons in der Eulachstadt das Verursacher-Prinzip gilt (so die Jugendlichen für die von ihnen verursachten Schäden materiell aufzukommen im Stande sind). Ich würde Botellons schlicht nur noch auf umzäunten Baubrachen zulassen. Und von jedem Teilnehmer 10 Franken Eintritt verlangen – mit diesem Geld könnte man danach die Reinigung des Geländes bestens berappen.

Der Mikro-Botellon - die diskrete Variante?
Weiterhin grosser Beliebtheit erfreut sich übrigens auch die intime Variante des Botellon, wie dieser Abfallkübel am Bahnhof Stammheim zeigt: Überquellend mit Bier- und Redbull-Büchsen sowie einer leeren Flasche Red Vodka, zeugt er davon, dass der Gedanke, sich im öffentlichen Raum voll die Kante zu geben, so neu nicht ist. Überhaupt muss man sich fragen, worin denn die subversive Qualität respektive das rebellische Element eines solchen Massen-Besäufnisses liegen soll – in einem Land, wo Alkohol die Volksdroge Nummer Eins ist, von der Fasnacht über die Dorffeste bis zum 1. August.


Das wahre subversive Element besteht wohl im Liegenlassen des ganzen Drecks, im Rumschmeissen mit Flaschen und im Vollreihern und –urinieren von Vorgärten. Also in einem Verhalten, für das sonst offene Drogenszenen bekannt sind. Und irgendwie gemahnt so ein Botellon auch an eine offene Drogenszene: Alles dreht sich um die berauschende, in diesem Fall nicht einmal illegale Substanz, um sie herum entsteht das Wir-Gefühl, ihr gilt die volle Aufmerksamkeit. Einen grossen Unterschied gibt es freilich: Während die Medien am Platzspitz und am Letten nie gern gesehen waren, ballen sich die besoffenen Jugendlichen vor den Linsen der anwesenden Reporter, um sich und ihren Rausch zu zelebrieren.