Montag, 2. Juni 2008

Neinsager – mal anders

Seit über 20 Jahren bekämpft die SVP blocherscher Prägung alles, was nach Moderne und Öffnung riecht. Doch Don Quichote wurde abgewählt, Sancho Pansa findet den Tritt nicht, und Rosinante ist müde. Ein Hoch auf die Windmühlen.

Das Diktum von den Schweizerinnen und Schweizern als Volk von Nein-Sagern hängt den Bewohnern der Alpenrepublik seit den 90er Jahren an: 1986 wurde der Beitritt in die UNO vom Volk abgelehnt, 1992 scheiterte der EWR-Beitritt äusserst knapp an der Urne, 1994 dann die Blauhelm-Vorlage. Die Schweiz positionierte sich nach dem Ende des Kalten Krieges als autistisch-egoistisches Gebilde mitten auf dem Kontinent. Eine Insel der Besserwisser und Selbstgerechten, die sich zusehends abschottete. Bitte nicht stören, wir sind uns selbst genug.

Diese Umstände (wie auch eine Krise im privaten Bereich) machte es mir umso einfacher, mich von 1996 bis 1998 in Richtung Niederlande zu verabschieden und die Schweiz für eine Weile Schweiz sein zu lassen. In den zehn Jahren seither ist eine Menge passiert. Die SVP absorbierte den gesamten rechten Rand des politischen Spektrums, einen zusehends unanständigen Ton gegenüber Andersdenkenden anschlagend. Zuerst ging es nur gegen Linke (auf Plakaten vorzugsweise als rote Ratten oder Filzläuse dargestellt) und Nette, dann gegen Weichsinnige und Halbbundesräte. Und immer gegen die schwächsten in der Gesellschaft: Arbeitslose, Ausgesteuerte, Abhängige, Ausländer, Asylsuchende, Invalide, die Liste ist lang und wurde immer länger.

Ausgrenzung als Erfolgsrezept
Dass dieses Problemverhalten vom Wahlvolk lange mit steigenden Stimmanteilen honoriert wurde, gab umso mehr zu denken. Die SVP schien von Sieg zu Sieg zu eilen, ihr «Führer» Christoph Blocher zog in den Bundesrat ein und machte sich daran, aus dem modernen Sozialstaat von der Exekutive aus Gurkensalat zu machen – oder im Falle der SVP wohl eher Wurstsalat (da wurstig und mit Braunstich). Mit der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat kam die Wende: Der mutige Befreiungsschlag des Parlamentes gegen einen sich immer eigenmächtiger gebärdenden Politiker brauchte aber Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten.

Tritt in (zu) grosse Fussstapfen: Toni Brunner, Bauer und Subventionsempfänger.

Zunächst schien bei verschiedenen Wahlen im Frühjahr 2008, etwa in den Kantonen St.Gallen und Neuenburg, der Siegeszug der SVP weiter zu gehen – und zwar auf Kosten der beiden Parteien, die als die beiden «Hauptschuldigen» am Sturz des Sonnenkönigs von Feldmeilen gesehen (und von einem DOK-Film des Schweizer Fernsehens als solche bezeichnet) wurden: Der CVP sowie der SP. Auch das Geld ging der nunmehr selbsternannten Oppositionspartei nicht aus. Die Schweiz wurde einmal mehr mit unappetitlichen Plakaten zugekleistert, die darauf abzielten, Unbehagen gegenüber Nichtschweizern zu schüren (siehe dazu auch den Beitrag «Fussball, Fremdenhass und andere Plagen»).

Der Wind hat gedreht
Und dann dies: Am selben Sonntag, an dem der Zentralvorstand der SVP Schweiz ihre Bündner Kantonalsektion mit einer Kollektivstrafe belegte und diese wegen mangelnder Linientreue (ein Wort, das unangenehm an Säuberungswellen in Kommunistischen Parteien erinnert) ausschloss, erlitt die Partei mit dem Siegernimbus eine Niederlage, die sie zuerst mal verdauen muss. Das Volk wollte nicht so, wie es sich die SVP vorgestellt hatte, und schickte gleich drei Vorlagen an einem Sonntag bachab – und zwar überaus deutlich. Dass ich einmal solche Freude an den Neinsagern haben würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Okay, das Nein zum Gesundheitsartikel war nicht primär ein Nein gegen die SVP, sondern ein föderal motiviertes Nein zur Idee, man könne eines der drängendsten Probleme der Schweiz (explodierende Kosten der Gesundheitsvorsorge und deren Finanzierung) mit Schlagworten aus dem Lexikon des Neoliberalismus lösen. Und dieses eine Nein traf die FDP genauso wie die SVP.

Anders sah es aber bei den beiden anderen Vorlagen aus: Der Initiative gegen Behördenpropaganda, die aus einem sektiererischen Umfeld lanciert wurde, wurde wohl ihr paranoïder Anstrich zum Verhängnis. Wer allen ernstes behauptet, in der Schweiz sei die freie Meinungsäusserung nicht gewährleistet, dem sei dringend eine Studienreise empfohlen. Wahlweise nach Moskau, Rangun oder Peking.

Willkür? Nein Danke!
Das dritte Nein schliesslich traf die SVP ausgerechnet bei einem Thema, das sie als ihre Kernkompetenz sieht: Der Ausländerpolitik. Dass die Abstimmenden die Offerte der SVP, im Rahmen von Abstimmungen über Einbürgerungen hin und wieder, geschützt von der Anonymität einer geheimen Urnenabstimmung, ein bisserl Gott spielen und Willkür über ausländische Mitmenschen ausüben zu dürfen, deutlich ausgeschlagen haben, gibt mir Mut. Es weht eine frische Brise durch das Land, seit Christoph Blocher abgewählt und Toni Brunner der neue Parteipräsident ist. Sancho Pansa taugt nicht als Don Quichote, und die SVP als seine Rosinante scheint an ihrem liberalen Huf zu lahmen.

Die rot eingefärbten Gebiete haben die Einbürgerungsinitiative abgelehnt, die blau eingefärbten haben sie angenommen. Ob dort mehr und gewalttätigere Ausländer hausen? Oder bloss besonders viele, fremdenfeindliche Schweizer?


Die frische Brise kündet davon, dass sich eine deutliche Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer durchaus mit dem identifizieren, was die Schweiz seit dem Ende des Kalten Krieges trotz aller Widerstände geworden ist (und eigentlich trotz aller Sonderfall-Ideologie immer war): Ein kleines, auf Export, Kooperation und internationale Vernetzung angewiesenes Land. Dass diese Erkenntnis noch nicht überall angekommen ist, wundert nicht. So haben die Stimmberechtigten im Kanton Schwyz (einer Brutstätte von Ausländergewalt und Multikulti-Problemen, wo der Imam von Brunnen zu heiligen Krieg aufruft, wie ich mir habe sagen lassen) die «Initiative für demokratische Einbürgerungen» angenommen. Der Autor überlässt es den Lesern dieses Blogs, sich auf diesen «Ausreisser» einen Reim zu machen.

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